Was ist teurer: Klimaschutz oder kein Klimaschutz?
Und was machen wir mit den Kosten, die in keiner Bilanz auftauchen?

So klingt das immer
Der Klimaschutz wurde in den vergangenen Jahren „überbetont“.
Wir müssen erst die Wirtschaft wieder in Schwung bringen – dann kümmern wir uns um das Klima.
Deutschland allein kann den Klimawandel nicht stoppen.
Wärme und Mobilität dürfen für Normalverdiener nicht zum Luxus werden.
Ökonomie und Ökologie werden als Gegensatz formuliert. Klimaschutz ist teuer, den können wir uns erst leisten, wenn die Wirtschaft wieder brummt. Friedrich Merz sagte kürzlich, dass ein klimaneutrales Deutschland „keine Überschwemmung in Texas verhindern“ werde. Michael Kretschmer mahnt, man dürfe beim Klimaschutz nicht die Wirtschaft abwürgen. Die Botschaft ist klar: Klimaschutz mag wichtig sein, aber nicht jetzt. Nicht, wenn es gerade wirtschaftlich ohnehin schwierig ist.
Es klingt nach nüchternem Pragmatismus. Nach Vernunft. Nach Realismus.
Aber es ist ein Denkfehler. Die Kosten des Nichtstuns werden sträflich vernachlässigt.
Darum also geht es mir in diesem Text. Wir werden uns die Kosten mit einigen ihrer wichtigsten Eigenheiten kurz anschauen. Wir werden aber auch über Kosten nachdenken, die sich nicht so leicht beziffern lassen, die aber womöglich noch viel schwerer wiegen.
Nicht alles, was Natur ist, hat mit Klimawandel zu tun. Aber vieles.
Vorsichtshalber will ich allerdings voranstellen: Nicht jede Naturkatastrophe ist eine Folge des Klimawandels. Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche – all das passiert unabhängig von unserem CO₂-Ausstoß.
Aber Extremwetter wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen oder Überschwemmungen werden durch den menschengemachten Klimawandel nachweislich wahrscheinlicher, intensiver und zerstörerischer.
Die Attributionsforschung vergleicht unsere heutige Welt mit einer hypothetischen, in der wir keine fossilen Brennstoffe verbrannt hätten. Sie fragt: Wie wahrscheinlich wäre dieses Ereignis ohne den Klimawandel gewesen?
Die Antworten sind inzwischen erstaunlich deutlich:
Die extreme Hitzewelle in Südeuropa 2023: mindestens 1000-mal wahrscheinlicher durch den Klimawandel.
Die Starkregenkatastrophe im Ahrtal 2021: 2- bis 9-mal wahrscheinlicher.
Die anhaltende Dürre in Ostafrika: ohne den Klimawandel „kaum erklärbar“.
Die Wissenschaft arbeitet dabei nicht mit Absolutheiten, sondern mit Wahrscheinlichkeiten. Das liegt nicht daran, dass sie es „nicht genau weiß“ – sondern daran, dass sie ehrlich unterscheidet zwischen Wissen und Unsicherheit. Wahrscheinlichkeiten sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck von Präzision.
Nicht nur Naturkatastrophen - es gibt viele Kostentreiber
Es ist natürlich sehr komplex, die Gesamtkosten zu beziffern die durch den Klimawandel verursacht werden. Dabei werden von den Forschenden typischerweise verschiedene Kategorien mit berücksichtigt:
Sachschäden
Das sind also Schäden an Gebäuden, an Infrastruktur (Verkehr, Energie etc.), in der Landwirtschaft (Ernteausfälle, Hagel, Überschwemmung), bei den Wäldern (Brände, Sturmschäden) und auch bei Unternehmen (Betriebsunterbrechung etc.)Indirekte Schäden
Lieferkettenprobleme, Transportausfälle, Preisschwankungen, Wertverluste bei Vermögenswerten, Ausfall von Investitionen, Rückgang der ProduktivitätGesundheitliche und soziale Kosten
Gesundheitskosten durch Hitzewellen, neue Infektionskrankheiten, Luftverschmutzung, Todesfälle, Erkrankungen, psychische Erkrankungen nach Katastrophen, Verlust von Wohnraum, Migration, Flucht (Klimamigration),Anstieg von Versicherungskosten / Prämien, Kosten durch verstärkte soziale Ungleichheit (Ärmere trifft es oft härter), Mehrkosten für staatliche Fürsorge (Notunterkünfte, Katastrophenschutz)
Dazu kommen dann noch einige Kosten, die man schwer kalkulieren kann, über diese machen wir uns dann am Ende nochmal Gedanken.
Die Kosten des Klimawandels – wir zahlen längst.
Jetzt kommen ein paar Zahlen. Die sind so exorbitant, dass einem schwindlig werden könnte.
Allerdings muss man damit leben, dass die verschiedenen Forschungen unterschiedliche Rechnungen verwenden. Manche sind in absoluten Euros oder Dollars beschrieben, bei anderen werden die Anteile am Brutto Inlandsprodukt verglichen, wieder andere vergleichen die Unterschiede MIT und OHNE Klimawandel in Prozent.
Bei einer der wichtigsten Studien aus dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung heißt es zum Beispiel
„… dass die Weltwirtschaft in den nächsten 26 Jahren (bis 2045) unabhängig von künftigen Emissionsentscheidungen einen Einkommensrückgang von 19% hinnehmen muss….Diese Schäden übersteigen bereits in diesem kurzfristigen Zeitrahmen die Kosten, die zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 Grad Celsius erforderlich sind, um das Sechsfache…“
Wenn wir die Weltwirtschaft am Ende des laufenden Jahrhunderts einschätzen wollen, zitiert der SPIEGEL eine Studie, nach der das noch deutlich drastischer werden wird:
„Das weltweite Bruttoinlandsprodukt, also der Gesamtwert aller Waren, Güter und Dienstleistungen, werde innerhalb des Jahrhunderts um 37 Prozent sinken – klimabedingt…“
Auch in Deutschland zahlen wir längst. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) meldete für 2023 5,6 Milliarden Euro Schäden durch Naturkatastrophen. Und das ist nur der versicherte Teil. Die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Schäden liegen höher.
Die Versicherungsbranche ist überhaupt bei diesem Thema eine relevante Informationsquelle, wir sollten genau hinhören:
„2024 war sogar eines der schadensreichsten Jahre, seit die Munich Re, einer der größten Rückversicherer der Welt, ihre Daten auswertete. Abgesehen von Erdbeben macht man beim Münchner Rückversicherer den Klimawandel für die Entwicklung verantwortlich.
Die Welt werde heißer, starke Wirbelstürme, Schwergewitter und Überschwemmungen seien die Folge. Der Klimawandel zeige seine Krallen, heißt es bei der Munich Re. Die Folgen der Hitzerekorde seien verheerend, wird der zuständige Konzern-Vorstand Thomas Blunck zitiert. So deutlich hat man sich beim Rückversicherer bisher noch nie zu den möglichen Ursachen der Naturkatastrophen geäußert.
Diese Summen zeigen: Es geht längst nicht mehr um ferne Zukunftsszenarien. Es geht um reale, heutige Kosten.
Und jetzt stellen wir also die Kosten des Klimaschutzes dem gegenüber.
Die Kosten des Klimaschutzes – ein Investment, kein Verzicht.
Das sind die Kosten, die es braucht, um den Klimawandel zu begrenzen und uns besser anzupassen.
Die Weltbank und das World Resources Institute (WRI) haben berechnet, dass jeder Dollar, der in Klimaanpassung investiert wird, einen vier- bis zehnfachen wirtschaftlichen Nutzen bringt.
Der jährliche Aufwand, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, liegt bei rund 6 Billionen Euro. Das klingt gewaltig (sechstausend Milliarden Euro!). Aber es ist weit weniger als die prognostizierten Schäden bei Untätigkeit.
Auch für Deutschland gibt es klare Zahlen: Die Kosten für Klimaneutralität bis 2045 werden auf rund 5 bis 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr geschätzt, das wären etwa 250 bis 300 Milliarden Euro.
Dafür bekommen wir allerdings weit mehr als nur CO₂-Reduktion: Energieunabhängigkeit, Innovationsvorsprung, neue Jobs, stabilere Wirtschaft.
Klimaschutz ist also kein Kostenfaktor im klassischen Sinn. Er ist eine Investition in Zukunftssicherheit. Und diese Investition rechnet sich.
Die wahre Rechnung.
Wenn PolitikerInnen heute sagen, wir könnten uns Klimaschutz nicht leisten, blenden sie diese Zusammenhänge aus. Oder sie verdrängen sie. Vor allem aber wissen sie ziemlich genau, dass sie abgewählt werden, wenn sie vor den Gefahren deutlich warnen. Und jetzt müssen sich alle mal ganz ehrlich machen, die mit ihrer Wahlentscheidung genau für diese Politik verantwortlich sind.
Ja, genau, das meine ich: Mit unseren Wahlentscheidungen entscheiden wir auch darüber, ob die Politik Klimaschutz konsequent und offensiv vorantreibt.
Vielleicht tun die PolitikerInnen das auch, weil der Preis des Nichtstuns nicht sofort auf der Haushaltsrechnung erscheint, sondern schleichend wächst. Über zerstörte Infrastruktur. Über steigende Prämien. Über wirtschaftliche Einbrüche nach Naturkatastrophen.
Aber die Wahrheit bleibt: Nichthandeln wird teurer. Für die Wirtschaft. Für den Staat. Für uns alle.
Kosten, die sich nicht beziffern lassen.
Die harten Zahlen sind das eine. Aber es gibt auch Kosten, die sich nicht in Milliarden beziffern lassen.
Das Weinen der Menschen, die nach einer Flut ihr Zuhause verloren haben. Die zerstörte Schönheit eines Waldes nach einem Brand. Das stille Verschwinden von Arten, die nie wiederkehren werden. Die Angst, die Unsicherheit, der Verlust von Heimat, von Zukunft.
Stellen wir uns doch mal kurz und nur „probehalber“ vor, was es heißen würde, von einer Sturmflut betroffen zu werden. Oder einem Waldbrand, dem auch das eigene Haus zum Opfer fällt. Klar, die reinen Kosten muss und kann man am Ende irgendwie beziffern und bei der - hoffentlich vorhandenen - Versicherung durchsetzen. Aber was kostet der Stress, die Trauer, die Wut, die Verzweiflung?
Und wie geht es den vielen Millionen von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, weil erst dort schlicht und einfach zu heiß wird. Diese Menschen gibt es jetzt schon, und sie werden noch drastisch viel mehr werden.
Diese immateriellen Kosten tauchen in keiner Statistik auf.
Aber sie erinnern uns daran, worum es beim Klimaschutz eigentlich geht. Nicht nur um Geld. Sondern um das, was uns verbindet. Um die Lebensgrundlagen von uns, unseren Kindern und auch vielen anderen Lebewesen.
Und nochmal für alle „Kaufleute“ unter uns, die sich mit solch emotionalen und naiven „Gefühlsduseleien“ nicht abgeben wollen: Auch allein die bezifferbaren, kalkulierbaren Kosten und Risiken sind so eindeutig, dass jede Entscheidung GEGEN wirksamen Klimaschutz absolut verantwortungslos ist. Oder rechnet da jemand klammheimlich damit, dass die schlimmsten Kosten nur die anderen treffen? Und dass sie von der Allgemeinheit beglichen werden? Dass man selber schon wieder auf der Sonnenseite landen wird? Dass es weit weg und irgendwann passiert?
Hey - aufwachen! Diese Zeit ist vorbei, das geht nur noch, wenn man den Kopf in einen wirklich ganz großen Sandhaufen steckt.
Fazit:
Klimaschutz ist teuer.
Kein Klimaschutz ist noch viel teurer.
Die größten und schmerzhaftesten Kosten tauchen in keiner Statistik auf.
Es ist höchste Zeit. Und zwar JETZT!
"Die Kosten für Klimaneutralität bis 2045 werden auf rund 5 bis 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr geschätzt, das wären etwa 250 bis 300 Milliarden Euro." Woher kommt das? Nach meinem Kenntnisstand ist Klimaneutralität praktisch unmöglich, auch auf längere Sicht.