Project 2025 und das Klima
Die perverse Perfektion
Das ominöse „project 2025“ geht jetzt schon einige Zeit durch die Presse, es ist leider mehr als angebracht, diesen obskuren und sehr umfangreichen Plan unter die Lupe zu nehmen. Ich habe mir das Dokument heruntergeladen und nach Klima-Themen durchsucht. Davon gibt es jede Menge, und zwar in einer Tonalität, in einem Ausmaß und in einer Konsequenz, dass man sich fürchten kann.
Dieser Text hier ist also nicht angenehm, es fällt mir schwer ihn zu schreiben, und es macht keinen Spaß, ihn zu lesen. Aber nachdem es ja nichts hilft, den Kopf in den Sand zu stecken, müssen wir da jetzt durch. Schon deswegen, weil danach die Notwendigkeit, aktiv zu werden, noch viel deutlicher sein dürfte.
Es gibt ja bisweilen politische Pläne, die so grotesk sind, dass man sie kaum ernst nehmen möchte. Und dann gibt es Project 2025 – eine über 900 Seiten lange Anleitung zur systematischen Zerstörung des Klimaschutzes (und vieler anderer demokratischer und politischer Lebensbereiche), geschrieben mit der Präzision eines Management-Handbuchs. Kein Pamphlet, kein Manifest, sondern ein „Mandat für Führung“ – kühl, technokratisch, strategisch perfekt. Eine Blaupause für den Rückschritt.
Ich habe, wie gesagt, lange gezögert, mich mit diesem Dokument zu beschäftigen. Zu absurd schien der Gedanke, dass jemand so etwas tatsächlich umsetzen könnte: die Dekonstruktion des sogenannten „administrativen Staates“, die Säuberung ganzer Behörden, die Entmachtung der Wissenschaft, die systematische Rückkehr zur Fossilwirtschaft. Aber genau das passiert zur Zeit. Punkt für Punkt, wie geplant.
Tag eins: Der Rücktritt vom Klima
Am 20. Januar 2025 kehrte Donald Trump ins Weiße Haus zurück – und tat das, was in Project 2025 als erste Priorität festgeschrieben war: Er ließ die USA aus dem Pariser Klimaabkommen austreten. Offiziell wäre der Austritt erst ein Jahr später wirksam, doch die Regierung erklärte ihn als sofort vollzogen. Im Juni blieb die US-Delegation den UN-Klimaverhandlungen in Bonn fern.
Das Ganze ist kein Chaos, kein Zufall, es entspringt keinem populistischen Bauchgefühl. Es ist ein minutiös vorbereiteter Prozess. Über 50 konservative Organisationen – angeführt von der Heritage Foundation – hatten in den Jahren zuvor an diesem Plan gearbeitet. Sie stellten Listen mit 20.000 loyalen Parteigängern zusammen, bereit, den „deep state“ zu zerschlagen und die „grüne Tyrannei“ zu beenden. So entsteht eine Verwaltung der Fossilen. Die Idee ist, dass der Apparat, die Bürokratie inzwischen die wirkliche Machtausübung übernommen habe und die gewählten Volksvertreter im Kongress damit entmachtet wären. Und dagegen hilft nur, diese Bürokratie sehr resolut und entschlossen niederzureissen und zu entmachten.
Die Logik der Zerstörung
„Die Äste nicht nur beschneiden, sondern die Bäume mit Wurzeln und Zweigen herausreißen“ – so steht es sinngemäß in diesem Dokument. Gemeint sind die Institutionen, die über Jahrzehnte wissenschaftliche Grundlagen geschaffen und Klimapolitik möglich gemacht haben. Die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) soll zerschlagen, das Energieministerium entkernt, die Klimaforschung „neu ausgerichtet“ werden – weg vom sogenannten Klima-Extremismus, hin zu „wissenschaftlicher Innovation“. Worte, die harmlos klingen, aber das Gegenteil bedeuten: Kontrolle, Entwertung, Entmachtung.
So sieht es dann aus, wenn die Website einer wichtigen Institution geschlossen wird. Einer Institution, die sich um wissenschaftliche Entwicklungen und Informationen kümmern soll. Der Wetterdienst wird abgeschafft, der Wetterbericht nicht gesendet, der nächste Hurrikan ist aber trotzdem schon da.
Die Wirkmacht der Sprache
Die Perversion wird noch offensichtlicher, wenn man sich die Vorschriften zum Gebrauch der Sprache genauer anschaut. Begriffe wie „Klimawandel“ MÜSSEN aus allen Gesetzen und Regierungsdokumenten radikal eliminiert werden.
Die fünf zentralen themenübergreifenden Bereiche (cross-cutting issues) der Biden-Administration, in denen die Sprache abgebaut werden soll, sind:
Frauen
Kinder und Familie
Umwelt
Menschenrechte
Grenzschutz
der Gender-Kult
Gleichheit (Equity).
Der Begriff „Gleichheit“ steht auf der Liste der zu eliminierenden Begriffe, weil angeblich die Linke diesen Begriff benutzt, wenn sie eigentlich „Sozialismus“ sagen will. Auf dieser Ebene spielt sich der ganze Kulturkampf tatsächlich ab. Um einen solchen handelt es sich ganz offensichtlich. Bücher werden verboten oder aus den Lehrplänen gestrichen. So soll angeblich „1984“ von George Orwell auf einer Abschussliste stehen und aus bestimmten Bibliotheken entfernt werden.
Neben den sprachlichen Vorschriften und vielen Entlassungen werden alle Förderprogramme für saubere Energie gestrichen, Klimafinanzierungen eingestellt, internationale Verpflichtungen aufgekündigt. Der Inflation Reduction Act – das größte Klimagesetz in der Geschichte der USA – wird rückabgewickelt. Das Office of Energy Efficiency and Renewable Energy soll geschlossen werden. Die Botschaft ist eindeutig: Fossile Energie ist wieder Staatsdoktrin.
Professionell ins Verderben
Was mich daran erschreckt, ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Professionalität. Project 2025 ist kein Tumult, kein Zufallsprodukt rechter Wut. Es ist Planung. Exekution. Ein Masterplan, umgesetzt mit der Effizienz eines Konzerns. Während progressive Bewegungen oft in Appellen und Protesten verharren, arbeitet hier eine Bewegung mit Checklisten, Trainingsprogrammen und Personalpools. Die Gegner des Klimaschutzes sind besser organisiert, als uns lieb sein kann.
Gina McCarthy, Bidens frühere Klimaberaterin, nannte es „den Weg zur Hölle – mit bösen Absichten“. Und genau das ist es: Die perverse Perfektion einer Zerstörung, die so rational daherkommt, dass sie fast bewundert werden könnte – wäre sie nicht so abwegig.
Umsetzung und offene Ziele
Im Project Tracker kann man sich jederzeit einen Überblick verschaffen, wie viele und welche der 319 definierten Ziele bereits umgesetzt sind, welche derzeit in Arbeit und welche noch offen sind. So, wie man es von einem ordentlichen Projektmanagement eben erwarten darf. Ein Blick dorthin ist wirklich beeindruckend und man versteht die Tragweite des Ganzen erst so richtig.
Beispiel: Alaska und das Öl
Schauen wir uns nur eines von unzähligen Beispielen etwas genauer an. Hier ein Auszug aus dem Original-Text von project 2025:
Alaska is not just blessed with an abundance of oil, it has vast untapped mineral potential. Therefore, the new Administration must immediately approve the Ambler Road Project60 across BLM-managed lands, pursuant to the Secretary’s authority under the ANILCA and based on the Final Environmental Impact Statement on the project
Und so schaut die Vollzugsmeldung im Projekttracker dann aus:
Die „Alaska Wildlife Alliance“ kämpft seit Jahren vehement gegen dieses Projekt und weist darauf hin, dass auch hier am Ende wirtschaftliche Interessen von privaten Investoren rücksichtslos priorisiert werden:
This week’s announcement was paired with other disconcerting news-- In addition to pushing for the Ambler Road, the federal government is making a direct investment in Trilogy Metals, the foreign-owned corporation looking to mine the Ambler district. After widespread opposition from Alaskans during the environmental review process, it’s adding insult to injury to have this project pushed through to benefit a foreign company.
Wie gesagt, das ist nur eines von vielen, vielen Zielen, die bereits „erreicht“, das heißt umgesetzt wurden. Die „Ambler Road“ ist genehmigt und wird gebaut, das Gebiet wird erschlossen und ausgebeutet, die natürlichen Grundlagen dort werden gegen den Willen der ortsansässigen Bevölkerung zerstört.
Globale Folgen – und unsere Rolle
Wenn die USA ihren Klimakurs tatsächlich weiterhin dauerhaft umkehren, bedeutet das bis 2030 zusätzliche 2,7 Milliarden Tonnen CO₂. Bis 2050 könnten es 26 Milliarden sein – das entspricht etwa den gesamten Emissionen Europas und Japans zusammen. Das 1,5-Grad-Ziel ist damit definitiv Geschichte. Länder wie Indien oder Argentinien könnten folgen, Klimafinanzierungen versiegen, internationale Kooperationen zerbrechen.
Und Europa? Auch hier bröckelt die Entschlossenheit. Während in Washington fossile Interessen triumphieren, wird in Brüssel der Green Deal abgeschwächt. Die EU kämpft mehr mit sich selbst als mit der Krise. Der Druck wächst, das Tempo sinkt.
Unsere schwarz-rote Regierung rüttelt kräftig am Verbrenner-Aus, die Wirtschaftsministerin kämpft für ihre Gas-Branche, und die rechtsextreme Partei in Deutschland hält das ganze Klima-Gelaber sowieso für Mumpitz. Genau wie ihre Gesinnungsgenossen in Ost und West. Eine unglaublich seltsame Allianz hat sich da formiert, oder?
Was bleibt: Wut, Fassungslosigkeit – und Verantwortung
Es fällt mir schwer, diesen Text ohne Zynismus zu schreiben. Zu deutlich ist der Wille zur Zerstörung, zu professionell die Umsetzung. Aber vielleicht ist genau das der Punkt: Wir dürfen uns nicht in Resignation oder enttäuschter Passivität einrichten, während andere längst die operative Macht übernehmen. Project 2025 zeigt, wie systematisch man eine Zivilisation in die falsche Richtung lenken kann – und wie zerbrechlich Fortschritt ist.
Der Kampf um das Klima ist nicht nur ein ökologischer, sondern ein politischer, institutioneller, kultureller. Er entscheidet sich nicht nur auf Klimakonferenzen, sondern in Personalentscheidungen, Haushaltsplänen, juristischen Paragraphen, und natürlich an den Wahlurnen. Und er braucht Gegenkräfte, die ähnlich strategisch denken – aber mit anderem Ziel: dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen.
Das Pendel schlägt also derzeit mit voller Wucht in die falsche Richtung aus, das ist schwer auszuhalten. Die Fossilbranche hat sich die mächtigste Regierung der Welt gekauft und instrumentalisiert diese. Das ist kein nationales Phänomen, entsprechende Kräfte sind überall auf der Welt am Wirken. Umso wichtiger ist es, sich dieses Wirken ganz genau anzuschauen, es zu verstehen und nicht die Augen zu verschließen.
Und dann trotzdem aufzustehen, zu kämpfen, zu lernen, sich zusammenzutun, und - auch wenn es manchmal schwer fällt - gelassen zu bleiben. Gemeinsam. Genau das dürfen die nachfolgenden Generationen von uns erwarten.
Wer sich genauer mit dem “project 2025” und den Positionen der KritikerInnen auseinandersetzen will, findet eine gründliche Einführung bei “Democracyforward”






