Prima Klima - November 2025
Gute Nachrichten zum Klimawandel - es gibt sie. Trotz allem.

Im vorherigen Text zu „project 2025 und das Klima“ glaubte ich fast, mich entschuldigen zu müssen, und zwar für die deprimierenden Nachrichten zu einer perversen Anti-Klima-Maschinerie aus den USA.
Zum Ausgleich habe ich hier wieder unter der Rubrik „Prima Klima“ eine neue Sammlung von guten Nachrichten zusammengestellt, und es war überhaupt nicht schwer, auch solche Meldungen zu finden.
Man traut sich das ja schon fast nicht mehr zu sagen oder zu denken, aber es scheint an einigen Ecken durchaus so, als ob ein Wandel unterwegs wäre, als ob es auch Kipppunkte in die richtige Richtung geben könnte. So als ob Menschen, Städte, Unternehmen, ja ganze Staaten anfangen, das Spiel umzudrehen – nicht laut, nicht perfekt, aber beharrlich und bemerkbar.
Gute Wahl in Amerika – wenn Klimaschutz plötzlich wählbar ist
Dass ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, unter der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump und trotz dessen Schlachtplan gegen das Klima, gegen das Leben, dass also trotzdem Klimapolitik zum Wahlgewinner werden könnte – wer hätte das für möglich gehalten?
Doch genau das ist passiert. Bei den jüngsten Wahlen in mehreren Bundesstaaten haben Kandidatinnen und Kandidaten gewonnen, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit miteinander verbinden.
Die alte Formel „Klimaschutz kostet“ ist dort scheinbar gekippt. Stattdessen hat sich eine neue Botschaft durchgesetzt: „Climate action equals affordability“ – Klimaschutz bedeutet Erschwinglichkeit. Denn Strom aus Sonne und Wind ist inzwischen schlicht billiger als der aus Gas oder Kohle.
In New York City gewann Zohran Mamdani die Bürgermeisterwahl mit einem Programm, das man früher kaum für wählbar gehalten hätte: kostenloser Nahverkehr, Begrünung öffentlicher Schulen, Investitionen in soziale Infrastruktur. In Georgia rächten sich die Wähler an den fossilen Konzernen – nachdem ihre Stromrechnungen um mehr als 500 Dollar pro Jahr gestiegen waren, holten die Demokraten zwei Sitze in der Public Service Commission.
Und in New Jersey kündigte die Gouverneurin an, den „Energiekosten-Notstand“ auszurufen und massiv in Solarenergie, Batteriespeicher und neue Atomkapazitäten zu investieren.
Das sind keine Revolutionen, sondern pragmatische Kurswechsel. Aber sie zeigen, dass die Mehrheit der Menschen längst verstanden hat: Der Weg in die Zukunft ist der günstigere, sauberere – und gerechtere.
Ein Fonds für den Regenwald – und ein Versprechen für die Tropen
Der Schutz der Tropenwälder ist einer der ganz großen Sektoren unter den Klimafragen. Ohne den Regenwald geht gar nichts. Umso bemerkenswerter ist, was Brasilien kurz vor der Klimakonferenz in Belém verkündet hat:
Die Gründung eines neuen Tropenwaldfonds (TFFF, Tropical Forest Forever Facility), der Milliarden in den Schutz intakter Wälder lenken soll.
Die Dimensionen sind gewaltig: Norwegen beteiligt sich mit über drei Milliarden Dollar, Brasilien und Indonesien steuern jeweils eine Milliarde bei, und auch Deutschland hat eine „namhafte“ Summe zugesagt. Zu einer konkreteren Aussage konnte sich unser Kanzler leider bei einer Vor-Veranstaltung nicht durchringen. Aber immerhin.
Insgesamt profitieren 34 Länder, die über 90 Prozent der weltweiten Tropenwälder beherbergen. Der Clou des Modells liegt in seiner Langfristigkeit. Das Geld wird angelegt, die Erträge fließen dauerhaft in Projekte, die Aufforstung, Schutzgebiete oder indigene Rechte sichern. Über Satelliten soll transparent überprüft werden, ob das funktioniert. Brasilien hat darin jahrzehntelange Erfahrung – und die politische Entschlossenheit ist heute größer denn je. Aber es gibt auch Kritik, zum Beispiel von Adam Tooze.
Er fürchtet, dass die Hedgefonds-ähnliche Konstruktion womöglich am Ende doch wieder bei den Steuerzahlern hängen bleiben könnte, während eventuelle Gewinne auch an reiche Investoren fließen würden.
Natürlich bleibt die Gefahr, dass Korruption, Bürokratie oder falsche Anreize den Erfolg bremsen. Aber im Kern steht dennoch ein neues, ein hoffnungsvolles Versprechen, dass die Länder des Südens nicht länger Bittsteller sind, sondern Hüter eines globalen Gemeinguts, für das die Weltgemeinschaft endlich zahlt.
Zehn Jahre Paris – und die Bilanz fällt besser aus, als man glaubt
Vor zehn Jahren, im Dezember 2015, einigten sich 195 Staaten in Paris auf das historische Klimaabkommen. Damals war das 1,5-Grad-Ziel eine ferne Hoffnung, heute ist es zwar bei weitem noch nicht erreicht – aber die Welt steht deutlich besser da, als sie es ohne Paris täte.
Laut neuen Analysen bewegt sich die erwartete Erwärmung bis 2100 zwischen 2,5 und 2,9 Grad, statt wie damals prognostiziert bis zu 3,8 Grad. Das klingt nach einer statistischen Nuance, ist aber ein gewaltiger Unterschied in menschlichen Schicksalen, Ernten, Küstenlinien.
In einem wirklich hörenswerten Interview mit der ZEIT betont Jochen Flasbarth, deutscher Chefverhandler und Staatssekretär, dass die Ökonomie heute auf der Seite des Klimaschutzes steht. Kein Land könne mehr dauerhaft erfolgreich sein, wenn es an fossilen Energien festhält.
Das ist vielleicht die wichtigste Veränderung der letzten Dekade: Nicht nur Moral und Wissenschaft, auch der Markt hat seine Richtung geändert.
Natürlich bleibt viel zu tun. Keiner der großen Emittenten – China, EU, Indien – erfüllt bisher alle Zusagen, bei den USA geht es auf nationaler Ebene sogar massiv in die falsche Richtung. Und die Finanzierung für den globalen Süden stockt. Aber die Architektur des Abkommens steht, und sie wirkt. Man könnte sagen: Paris war der Anfang, zwei Schritte vorwärts, einen zurück. Immerhin.
Elektroautos – die leise Revolution rollt
Vor wenigen Jahren noch galten Elektroautos als Nischenprodukt. Heute ist jedes fünfte weltweit verkaufte Auto elektrisch, und der Trend beschleunigt sich massiv weiter. Laut einer Studie der Duke University verdrängen E-Autos täglich zwei Millionen Barrel Ölnachfrage – und das mit wachsender Geschwindigkeit.
Interessant ist, dass die Forscher die ganze Lebensdauer betrachtet haben: In den ersten Jahren verursachen Elektroautos wegen der Batterieproduktion zwar rund 30 % mehr CO₂ als Verbrenner, doch ab dem zweiten Jahr kippt die Bilanz – und danach wächst der Vorsprung stetig. Die Umweltkosten eines Benziners sind am Ende zwei- bis dreieinhalbmal so hoch.
China spielt dabei die Hauptrolle. Das Land hat allein im ersten Halbjahr 2025 256 Gigawatt Solarenergie installiert – doppelt so viel wie Deutschland in 25 Jahren. 130 chinesische Autohersteller treiben einen erbarmungslosen Wettbewerb, der die Preise drückt und Innovationen beschleunigt. Westliche Autobauer klagen über unfaire Konkurrenz, aber vielleicht zeigt China schlicht, was Entschlossenheit bedeutet: dass die Energiewende keine Sonntagsrede ist, sondern eine industrielle Revolution.
Die Zukunft der Mobilität riecht nicht mehr nach Benzin. Und das ist vielleicht die stillste, aber tiefgreifendste Veränderung unserer Zeit.
Städte machen Druck – die C40-Allianz wächst
Während viele nationale Regierungen zaudern, handeln einige der größten Städte. Die C40-Städteallianz, zu der heute 97 Metropolen gehören, steht für fast ein Viertel der Weltwirtschaft – und sie liefert Ergebnisse.
Über 100 Millionen Menschen in diesen Städten atmen bereits sauberere Luft als noch vor einem Jahrzehnt. Bis 2050 sollen 50 Millionen grüne Jobs entstehen – vom Dachdecker über die Solartechnikerin bis zur Kreislaufökonomie-Planerin.
C40 verlangt von seinen Mitgliedern, fossile Emissionen bis 2030 zu halbieren, Resilienz gegen Hitze und Überschwemmungen aufzubauen und soziale Gerechtigkeit als Leitprinzip einzubringen. Das ist ambitioniert – und doch zeigt sich: Wenn Städte wie Los Angeles, London oder Kapstadt in dieselbe Richtung ziehen, bewegt sich mehr als auf manchem Klimagipfel.
Anlässlich der letzte Woche abgelaufenen COP30 in Belém fordern die Bürgermeister, endlich als gleichberechtigte Partner behandelt zu werden – mit direktem Zugang zu Finanzmitteln. Denn Städte sind längst die Laboratorien der Zukunft: Hier entscheidet sich, ob die Energiewende alltagstauglich wird. Und sie beweisen, dass Klimapolitik auch demokratisch nah, konkret und sichtbar sein kann.
Der Earthshot Prize 2025 – Ideen, die größer denken
Zum Schluss ein Preis, der in diesem Jahr in Rio de Janeiro verliehen wurde – und der ein seltenes Gefühl von Begeisterung auslöst. Der Earthshot Prize, 2025 unter dem Vorsitz von Christiana Figueres, feierte Projekte, die man fast für Science-Fiction halten könnte, wären sie nicht längst Realität.
Da ist die Tenure Facility, die indigene Gemeinschaften unterstützt, ihre Wälder zu schützen und Landrechte zu sichern – ein unschätzbarer Beitrag gegen Entwaldung. Oder Runa Khan aus Bangladesch, die mit „Friendship“ schwimmende Krankenhäuser betreibt, um Menschen in überfluteten Regionen medizinische Versorgung zu bringen.
Die nigerianische Designerin Omoyemi Akerele revolutioniert mit der Lagos Fashion Week das Konzept von Mode – zirkulär, lokal, ressourcenschonend. Und der australische Architekt Fred Holt baut Wolkenkratzer aus wiederverwerteten Materialien. Upcycling in der Königsklasse.
Der Preis selbst ist Symbolpolitik – aber eine, die wirkt. Er erzählt eine andere Geschichte vom Klimawandel: keine der Schuld, sondern der Kreativität. Und er zeigt, dass Innovation, wenn sie sozial und ökologisch gedacht ist, mehr sein kann als Technik – sie wird zur Kultur.
Ein anderer Blick auf den Fortschritt
Ein Fonds hier, eine Wahl dort, ein Preis, ein Stadtprojekt, eine industrielle Verschiebung. Nichts davon löst die Krise allein, aber zusammengenommen ergeben sie so etwas wie ein Muster. Das Bild einer Welt, die sich – allen Rückschlägen zum Trotz – scheinbar in Bewegung gesetzt hat.
Vielleicht ist das die wichtigste Nachricht dieses Monats: Hoffnung ist kein Gefühl, sondern ein Prozess. Sie entsteht aus Taten, aus Kooperation, aus Mut zur Veränderung. Und sie wächst auch wenn und weil wir sie wahrnehmen – gerade in Zeiten, in denen alles andere lauter scheint.
Ausblick
Aktuell trifft sich die Weltgemeinschaft in Belém zur COP30. Wieder gibt es Streit um Geld, Verantwortung, Ziele. Neben der unsäglichen Anzahl von Lobbyisten der Fossilbranche, die wieder kräftig mitmischen und die Interessen ihrer Auftraggeber vertreten, kam es in diesem Jahr zu sehr umfangreichen Protestaktionen außerhalb der Kongressgebäude.
Zur Halbzeit der UN-Klimakonferenz in Brasilien hat sich ein großer Protestzug formiert. Zehntausende Indigene und internationale Klimaschützer zogen durchs Zentrum der Millionenstadt Belém. Mit dem “Marsch fürs Klima” kämpfe man für Klimagerechtigkeit und die Verteidigung angestammter Gebiete indigener Gemeinschaften, die von Holzfällern und illegalen Goldschürfern bedroht seien, hieß es in einem Aufruf.
Der Tropenwaldfonds (s.o.) scheint auf jeden Fall zu klappen, auch wenn da noch einige Verhandlungen notwendig sind.
Ansonsten müssen wir auch um diese COP froh sein, weil es ohne die Klimakonferenzen mit Sicherheit deutlich schlechter um den Fortschritt beim Kampf gegen die Erderwärmung ausschauen würde.
Und - Manish Bapna, Präsident des Natural Resources Defense Council betonte auf einer Pressekonferenz…
…dass es Grund zum Optimismus gebe. Erneuerbare Energiequellen haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 den fossilen Energieträger Kohle bei der Stromerzeugung zum ersten Mal in der Geschichte überholt.
Na, das ist doch eine gute Nachricht.
Manchmal braucht es scheinbar auch etwas Mut, den Blick von der Katastrophe auf das Gelingen zu richten – um zu erkennen, dass Veränderung längst passiert. Nicht schnell genug, nicht gerecht genug, aber real. Und das ist dann doch auch ein guter Grund genug für Zuversicht.






