Ich habe es schon wieder getan
Seitdem ich mich ausführlich mit Klima-Themen beschäftige, habe ich es immer wieder getan. Ich habe mich mit den verschiedensten “Kritikern” der einhelligen Wissenschaftsmeinung auseinandergesetzt. Dieser Wissenschaft also, die erforscht wie die Emissionen aus fossilen Brennstoffen den Treibhausgaseffekt fördern und damit die globale Erwärmung. Eigentlich hatte ich mir schon öfter vorgenommen, mich mit den sogenannten “Klimawandelleugnern” nicht mehr zu beschäftigen. Die Erfahrungen damit waren oft ermüdend, enttäuschend, empörend und also frustrierend.
Warum mache ich das?
Na ja, ich bin eben kein gelernter Klimawissenschaftler, also stellen sich mir immer wieder offene Fragen. (Das ist natürlich bei den WissenschaftlerInnen auch so…) Die Frage etwa, ob es wirklich notwendig ist, sich so viele Sorgen zu machen über den Klimawandel. Ob das Wissen aus der Wissenschaft wirklich so klar ist. Ob die anderen nicht vielleicht doch recht haben. Ob ich mich “umsonst” so ins Zeug lege und mich viel mit der entsprechenden Literatur beschäftige. Zwei Gründe gibt es allerdings, die mich dazu brachten, und die mich dann doch immer wieder einmal dazu bringen:
die anderen könnten ja vielleicht doch hie und da Recht haben, ich könnte also dazulernen
ich bin durch die Beschäftigung mit den gängigen Erzählungen gut vorbereitet für eigene Gespräche
Man lernt (fast) immer dazu
Ich habe also schon oft Bücher gelesen, Artikel, Vorträge und andere Materialien studiert. Manche davon waren am Anfang auch echt beeindruckend, haben mich nachdenklich gemacht und auch Zweifel an meinen bisherigen Einschätzungen erzeugt. Professorentitel, eine lange Liste an Veröffentlichungen, klangvolle Namen von sehr “renommierten” Instituten oder Institutionen - all das haben dem Gegenüber erst mal Vorschusslorbeeren gebracht. Ich habe oft versucht, mich möglichst offen für die Möglichkeit zu halten, dass da “was dran sein könnte”.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Immer, wirklich bisher immer habe ich entweder heraus gefunden, dass das alles wissenschaftlich klingender Quatsch war und ist, dass die AutorInnen mit mindestens einem Fuß in der fossilen Öl-Tonne stehen, oder dass sie sich nach ihrer Emeritierung nochmal sehr gerne sehr wichtig machen wollen. Um das aber wirklich einschätzen zu können, lerne ich laufend dazu. Von der seriösen und ernst zu nehmenden Wissenschaft und auch von sonstigen Wissensquellen.
False Balance
Eine der gängigen Strategien der “Klimawandelleugner” ist es ja, eine Vielzahl von wissenschaftlichen Positionen zu suggerieren. Wenn also zwei Koryphäen sich in Talkshows widersprechen, sollen wir am Ende verstehen, dass “die sich auch nicht so ganz einig” sind. Trotzdem fallen viele Publikationen auf diesen Trick immer wieder rein und sorgen für eine falsche Balance, indem sie auch den Vertretern der Fossilbranche ähnlichen Raum zur Veröffentlichung stellen wie der seriösen Wissenschaft. Medien leben natürlich zu einem gehörigen Ausmaß von “Aufregern”, also auch gerne von Konflikten und Streit.
Ich will hier nicht auch diese “false balance” kultivieren, ich muss aber trotzdem über ein paar Namen schreiben. Ich werde daher diese Namen hier zumindest nicht auch noch verlinken, diesen Gefallen will ich ihnen nicht tun.
Beispiel: Waldbrände
YouTube hat mir ein Interview vorgeschlagen, in das ich dann eben doch wieder rein geschaut habe. Bastian Barucker hatte zwei Gäste zu Besuch, nämlich den “Wissenschaftler” (eigene Aussage) Fritz Vahrenholt und den Wirtschaftsjournalisten Axel Bojanowski (WELT). Zu allen drei Beteiligten gäbe es einiges zu berichten, darum geht’s mir aber hier nicht. Eine Aussage hat mich stutzig gemacht: Fritz Vahrendolt hat vehement und sehr eindeutig behauptet, dass die Zahl der Waldbrände zurück gegangen sei. Es ging an dieser Stelle darum, ob wir einem “Alarmismus” aufsitzen oder nicht. Die Sache mit den Waldbränden hat sich dann bei meiner Recherche so dargestellt:
Zeitreihen aus globalen Satellitendaten deuten insgesamt tatsächlich auf keine starken Zunahmen der Gesamtzahl von Bränden hin; die Anzahl der Feuer ist regional sehr variabel, während große Ausreißer‑Ereignisse an Häufigkeit gewinnen.
Satellitendaten zeigen allerdings eben auch, dass extreme Waldbrände in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich häufiger, intensiver und größer geworden sind – vor allem in gemässigten und borealen Wäldern Nordamerikas und Nordasiens
Und: Eine aktuelle Studie dokumentiert einen Anstieg der aus Waldbränden stammenden Kohlenstoffemissionen um etwa 60 % seit 2001
“Manitoba verzeichne in diesem Jahr aufgrund anhaltender Trockenheit und ungewöhnlich hoher Temperaturen bisher landesweit die höchste Feueraktivität, sagte Kirstin Hayward von der Waldbrandbehörde. In diesem Jahr zählten die Behörden dort bisher 102 Brände, was deutlich über dem lokalen Durchschnitt von 77 liegt.”
Quelle: Tagesschau
So könnten wir also jetzt weiter differenzieren, über verbrannte Flächen, über Ursachen für Rückgang und Ausweitung von Waldbränden (je nach Region) und viele andere Details.
Mir geht es darum, dass die Leute, die sich gegen “Katastrophenjournalismus”, “Alarmismus” etc. aussprechen, oft recht geschickt ”Rosinen” picken und am Ende eben das Publikum zurück lassen mit dem Gefühl: Alles nicht so dramatisch, weitermachen wie bisher.
Und seltsamerweise deckt sich das dann sehr genau mit den Aussagen und Interessen der Fossilbranche.
Das systematische Geschäft mit dem Zweifel
Die Mechanismen sind nicht neu. Schon die Tabakindustrie wusste: Man muss nur Zweifel säen – nicht die Wahrheit widerlegen. Was früher „Zigaretten machen gar nicht krank“ war, heißt heute: „Das Klima hat sich schon immer verändert.“ Oder: „Klimamodelle sind unzuverlässig.“ Oder: „Die Sonne ist schuld.“ Oder: “CCS, also Carbon Capture and Storage, wird alle Probleme lösen.”
Oder: “es ist eh alles zu spät”…
Es ist kein Zufall, dass zentrale Figuren der Klimawandelleugnung aus genau diesem Umfeld stammen. Fred Singer, US-Atmosphärenphysiker, trat zuerst gegen das Verbot von FCKWs auf, dann gegen den Zusammenhang von Passivrauchen und Krebs – und schließlich gegen die Klimaforschung. Sein Ziel war nie die Wahrheit. Sondern das Säen von Unsicherheit.
Die “Merchants of Doubt” (Erik M. Conway und Naomi Oreskes), zu denen Fred Singer unter anderen gehörte, haben für ihre Auftraggeber hervorragende Arbeit geliefert. Auf wessen Kosten? Es darf geraten werden…
EIKE – der deutsche Think Tank der Klimalüge
In Deutschland heißt dieses Spiel: EIKE – das „Europäische Institut für Klima und Energie“. Klingt seriös, ist aber eine PR-Maschine für Desinformation. Dort treten Herren mit Doktortiteln auf, zeigen bunte Diagramme und behaupten, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel.
Und das Erschreckende ist: Es funktioniert. Medien laden diese Leute in Talkshows ein – aus der oben schon beschriebenen falsch verstandenen „Balance“. Politiker nehmen deren Argumente auf. Und wer zweifelt, fühlt sich bestätigt.
EIKE behauptet zum Beispiel, es gebe keine Zunahme von Extremwetter – während der Deutsche Wetterdienst genau das Gegenteil zeigt. Oder: Die Sonne sei der Hauptantrieb des Klimawandels – obwohl das längst widerlegt ist. Es sind Pseudo-Debatten auf Basis falscher Prämissen. Und sie lähmen jede sinnvolle politische Bewegung.
Jetzt wird’s politisch
International gibt es natürlich noch wesentlich größere und einflussreichere Organisationen, die der Fossilbranche zu Füssen liegen, die von EXXON & Co. finanziert werden und deren Narrativ verbreiten. Und diese suchen und finden alle die Nähe zu politischen Gruppierungen, regelmäßig zu welchen am rechten Rand. Überraschend, oder?
EIKE arbeitet in Deutschland zum Beispiel recht eng mit der AfD zusammen, es gibt viele Argumentations-Schablonen zum Klimawandel, die sich diese Partei zu eigen gemacht hat. Und es gibt jede Menge personelle Verflechtungen.
“Auch in ihren Anträgen verweist die Fraktion fast immer auf EIKE-Papiere, wenn es darum geht, Klimaschutz zu verhindern. Etwa in dem Antrag “Freiheit statt Ideologie - Aufkündigung aller internationalen Klimavereinbarungen” vom September 2023. Dort findet sich das ganze Spektrum der Verschwörungsmythen, darunter natürlich auch immer wieder die Behauptung, es gebe “keinen wissenschaftlichen Beweis für einen maßgeblichen Einfluss auf das Weltklima durch vom Menschen verursachte CO2-Emissionen”. Die Aufzählung mutet wie eine Art Copy and Paste aus den Beiträgen der Klimawandelleuger an”
(”Die Milliarden Lobby”, Susanne Götze, Annika Joeres)
So wie also EIKE mit der AfD vernetzt ist, unterstützt das “Heartland Institute” in den USA seit jeher Donald Trump. Das macht auch die “Heritage Foundation”, unter deren Federführung das ominöse “project 2025” entstanden ist, das Playbook also für all die erratischen und zutiefst destruktiven Maßnahmen der aktuellen Trump-Administration. Auch diese Organisation will die fossile Industrie stützen und unterstützen, Fossilenergie ist für sie der Quell von Wohlstand und Stabilität.
Das Desaster
Diese und noch viele, viele andere Akteure im Lager der Fossilbranche nehmen also massiv Einfluss auf das Weltgeschehen, politisch, ökonomisch und auch im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung. Da kann man sich eigentlich nur empören, da muss man auch öffentlich mal den Mund aufmachen, und da muss man, da müssen wir extrem aufpassen und hinschauen. Im Interesse unserer Kinder, Enkelkinder und aller anderen Lebewesen. Klingt dramatisch, ich weiß, ist aber so.
Man kann bei all den Zusammenhängen und Verflechtungen durchaus auf die Idee kommen, dass der Rechtsruck, der in vielen Gesellschaften derzeit sein Unwesen treibt, auch aus dieser Ecke getrieben wird.
Ich werde es wieder tun
Trotzdem werde ich mich immer wieder mal mit den Thesen, Hypothesen und anderen Äußerungen aus dem Lager der Klimaschutzgegner auseinandersetzen.
Hier noch kurz ein Beispiel: an verschiedenen Ecken bin ich über einen Film gestolpert, der in letzter Zeit in entsprechenden Kreisen rum gereicht wird.
Martin Durkins Film «Climate: The Movie» verbreitet mithilfe propagandistischer Methoden Skepsis gegenüber dem Klimawandel. Von gerechtfertigter Kritik ist das Werk, das in rechtsgerichteten Medien gefeiert wird, meilenweit entfernt.
So, und dieses Statement wiederum stammt von der NZZ, der Neuen Züricher Zeitung, die ja auch nicht gerade am linken Rand zu verorten ist. Ich hab, wie gesagt, rein geschaut, der Film ist handwerklich nicht schlecht gemacht, inhaltlich absolut tendenziös und sensationsheischend. Und wieder kommen ein paar abgehalfterte Professoren zu Wort, die sich nicht zu schade sind.
Warum tu ich mir das an?
Weil ich jetzt wirklich mitreden kann, wenn sich jemand auf diesen Film bezieht. Oder auf ähnliche Pamphlete aus einer ähnlichen Ecke. Ich kenne inzwischen viele der Namen, der Kommunikationsstrategien, der Winkelzüge. Da will ich gewappnet sein.
Und ich will aber auch nicht zuletzt immer “den Verdacht aufrechterhalten, der andere könnte Recht haben” (frei nach Kurt Tucholsky)
- Von den "Leugnern des Klimawandels" gibt es natürlich viele Spielarten, insofern ist die Mahnung zur Differenzierung durchaus nachvollziehbar. Inwieweit das in eine Überschrift passt, ist eine andere Frage.
- Zur zweiten Meinung in der Medizin: die ist oft angebracht, trotzdem würde kaum jemand von uns dafür zu einem Wunderheiler oder Voodoo-Prister gehen. Wir gehen in der Regel zu jemanden mit einer vergleichbaren Expertise.
- Permakultur, Urban-Gardening, Energie Sparen etc.: liebend gerne, die Themen sind nicht zuletzt aufgekommen, weil sich vernünftige Menschen über die Auswirkungen der klimaschädlichen Wirtschafts- und Lebensweisen Sorgen und Gedanken machen.
- Wissenschaft: es gibt tausende von wissenschaftlichen Studien aus klimarelevanten Zweigen. Diese werden in den Berichten z.B. des IPCC in sehr sorgfältiger Weise aufbereitet, die Ergebnisse sind ganz wesentlich auch bei allem, was mich hier antreibt. Dann gibt es noch sog. "Sachbücher", in denen das Wissen der Wissenschaft "populärwissenschaftlich" vermittelt wird. Beispiel: "Männer die die Welt verbrennen" von Christian Stöcker, mit einem sehr, sehr ausführlichen Quellenverzeichnis. (Empfehlenswert!)
- Ich verstehe meine Klimakolumne als Kolumne, das heißt ich veröffentliche hier durchaus auch meine eigene Perspektive, meine Einschätzungen und meine Überlegungen. In diesem Sinne schreibe ich hier bewusst "subjektiv". Dass jede Wissenschaft immer vorläufig ist (so lange, bis eine bessere Erkenntnis auftaucht), ist mir klar. In meinem Artikel beschreibe ich, dass ich deshalb auch immer wieder verschiedene Seiten anhöre, auch versuche, diese möglichst ernst zu nehmen, und wo ich bei diesen Versuchen recht häufig lande.
- Jedenfalls danke ich allen, die sich hier an der Diskussion beteiligen. Eine offene Debatte, ein fairer Umgang miteinander, und auch klare Urteile, sofern diese angemessen sind, darum geht es mir. Und ich wünsche uns allen, dass der Sommer nicht allzu heiß ausfällt...;-)
Danke Peter. Wenn nur die Hälfte all derjenigen, die sich zum Thema äußern, sich vorher so gut informieren würden, wären wir ein gutes Stück weiter.