Ist es naiv, sich über gute Nachrichten, oft auch nur kleine gute Nachrichten zum Thema Klimawandel zu freuen? Wäre es nicht viel angemessener, laut und deutlich Alarm zu schlagen, immer und immer wieder, kompromisslos?
Oder ist das eh alles Quatsch, und wir sind schon längst „doomed“, die wirklich wichtigen Agenten und Themen spielen sich auf ganz anderen Ebenen ab und sind für „uns“ gar nicht zugänglich?
Solche Gedanken begleiten mich jedes Mal, wenn ich die „good news“ sammle, um hier in der Klimakolumne darüber zu berichten. Sie begleiten mich auch sonst laufend, und so geht es vermutlich vielen von uns. Trotzdem lande ich dann doch immer wieder bei dem Ergebnis: Natürlich müssen wir was tun.
Und um etwas tun zu können, braucht man zumindest die Haltung und die Hoffnung, dass das überhaupt geht, wir brauchen eine Art Zuversicht.
Ich weiß, dass die Lage ernst ist. Ich lese die Berichte des Weltklimarats, ich kenne die Szenarien, die drohen, wenn wir die Erderwärmung nicht begrenzen. Ich nehme auch die französischen „Kollapsologen“ und ihre hoffnungsfreien Anhänger ernst, die nicht mehr glauben, dass wir das Ruder herumreißen können – und stattdessen empfehlen, uns besser auf den gesellschaftlichen und ökologischen Zusammenbruch vorzubereiten.
Trotzdem bin ich überzeugt: Resignation ist ein feiges Privileg. Und ich nehme die Verantwortung ernst, die wir den nachfolgenden Generationen gegenüber haben, und auch dem sonstigen Leben gegenüber.
In diesem Sinne ist es eben doch richtig und gut, sich immer wieder genau anzuschauen, wo was läuft, wo was klappt, und wie die entsprechenden ProtagonistInnen das hinbekommen.
Aber jetzt - hier ein paar der ermutigenden Botschaften:
Wildpoldsried: Wie ein Dorf zur Energie-Vorbildkommune wurde
In Wildpoldsried, einer Gemeinde im Allgäu mit rund 2.600 Einwohnern, beschlossen BürgerInnen und Gemeinderat schon 1999 gemeinsam, auf Erneuerbare zu setzen. Heute erzeugt der Ort rund achtmal mehr Strom, als er verbraucht – mit Windrädern, Biogasanlagen, Solaranlagen und Wasserkraftwerken, fast alle in Bürgerhand.
Die Einnahmen aus dem Stromverkauf fließen in Schulen, Kulturprojekte, Infrastruktur. Wildpoldsried zeigt: Klimaschutz muss kein Verzicht sein – er kann Wohlstand vor Ort schaffen.
Das Video auf YouTube stammt aus dem Jahr 2022, es ist immer noch absolut sehenswert und ermutigend, auch gerade für Menschen die in kleineren Kommunen leben.
Fazit:
Auch in deiner Gemeinde könnte mehr möglich sein, als du denkst. Bürgerenergieprojekte leben vom Engagement Einzelner. Vielleicht gibt es ja schon eine Genossenschaft in deiner Nähe? Oder du sprichst bei der nächsten Gemeinderatssitzung mal das Thema an. Veränderung beginnt oft genau dort: im Kleinen, vor der eigenen Haustür.
Paris: Die stille Mobilitätsrevolution
Seit 2015 verwandelt sich Paris radikal. Über 1.000 Kilometer neue Radwege, autofreie Zonen auf großen Straßen, grüne Plätze statt Parkplätze: Die Stadt hat sich dem motorisierten Individualverkehr entzogen – und siehe da: Die Zahl der Radfahrten ist um 140 % gestiegen, der Autoverkehr im Zentrum deutlich zurückgegangen. Ganz aktuell jetzt im März 2025 hat sich eine Mehrheit von befragten BürgerInnen dafür ausgesprochen, weitere 500 Strassen autofrei zu halten.
Paris beweist, dass Menschen ihr Verhalten ändern – wenn man ihnen die Möglichkeiten dazu gibt. Stadtplanung kann Lebensqualität schaffen.
Fazit:
Wenn du selbst in einer Stadt wohnst, in der der Radverkehr immer noch wie ein Abenteuer auf der Autobahn wirkt – werde aktiv. Politik verändert sich, wenn Menschen sie einfordern. Und manchmal genügt ein sicherer Radweg, um ganz neue Wege zu eröffnen.
Bürgerenergie in Deutschland: Rückkehr einer Bewegung
Trotz politischer Rückschläge erlebt die Bürgerenergie in Deutschland ein Comeback: Über 900 Energiegenossenschaften sind aktiv, versorgen rund eine Million Menschen mit Strom, schaffen Wertschöpfung vor Ort. Neue Modelle wie Mieterstrom oder kommunale Solarfelder beleben die Szene.
Auch in meinem konkreten Umfeld in Regensburg tut sich diesbezüglich einiges. „Meine“ Genossenschaft, die BERR (Bürgerenergie für die Region Regensburg) hat aktuell einen sehr guten Lauf und bringt gerade einige neue Projekte an den Start. Das spricht sich rum, so dass auch die Zahl der Mitglieder derzeit laufend steigt, kürzlich durften wir das 500. Mitglied begrüßen.
Bei den Projekten ist eines besonders spektakulär: Im Osten von Regensburg soll ein großer Solarpark auf einer Fläche von ca. 20 Hektar entstehen. Das Projekt ist eine gemeinsame Initiative von vier großen Unternehmen, der Stadt Regensburg und der BERR. Die notwendigen Flächen gehören der Stadt Regensburg und werden an die BERR verpachtet werden.
Fazit:
Du kannst Teil dieser Bewegung sein. Als Mitglied einer Genossenschaft, als UnterstützerIn eines Projekts, vielleicht sogar als MitgründerIn. Bürgerenergie ist machbarer, als viele denken – und ein Weg, Klimaschutz demokratisch zu gestalten.
China: Weltmeister beim Ausbau der Erneuerbaren
China ist der weltweit größte CO₂-Emittent – aber auch führend beim Ausbau der Erneuerbaren. Über 230 GW neue Solar- und Windleistung allein 2023, Tendenz weiter steigend. Das ursprünglich für 2030 gesetzte Ziel von 1.200 GW wird wohl schon 2025 erreicht.
Der Umbau eines Energiesystems dieser Größe zeigt: Wo politischer Wille und industrielle Kapazität aufeinandertreffen, ist gewaltig viel möglich – und zwar schnell.
„China ist weltweit Vorreiter beim Ausbau Erneuerbarer Energien. Das Land baut fast doppelt so viele Kapazitäten für Wind- und Solarenergie wie der Rest der Welt zusammen. Das war im Sommer das Ergebnis einer Studie der Nichtregierungsorganisation Global Energy Monitor. Außerdem investiert China so viel wie kein anderes Land in Erneuerbare Energien. Laut dem Umwelt-Thinktank "Centre for Research on Energy and Clean Air" mit Sitz in Finnland haben Chinas Investitionen in "grüne" Technologien im vergangenen Jahr maßgeblich zum Wirtschaftswachstum beigetragen - zu 40 Prozent.“
Fazit:
Diese Nachricht ist eine Einladung zum Umdenken: Veränderung ist nicht nur notwendig – sie ist auch technisch möglich. Was fehlt, ist oft nicht das Können, sondern das Wollen. Deshalb braucht es dich – als Stimme, als WählerIn, als AkteurIn. Und sollte noch mal jemand zu dir sagen „aber die Chinesen…“, hast du jetzt Stoff für Eure Diskussion.
Gute Nachrichten sind gut!
Die Frage bleibt, ob die Beschäftigung mit „guten Nachrichten“ aus der Welt des Klimawandels nicht nur ein Feigenblatt ist, ob das Sinn macht, ob man sich hier und dort was abschauen kann oder ob man sonst irgendwie klüger wird.
Oder ob man sich damit nicht nur „künstlich“ eine Art Optimismus aufrecht erhalten will, für den es eigentlich schon länger keine Grundlage mehr gibt.
Aber ich glaube: Hoffnung ist kein Luxus. Sie ist ein politischer Akt. Ein Gegenentwurf zur Lähmung, zum Zynismus, zur Ohnmacht.
Wir dürfen Angst haben. Wir dürfen auch wütend sein. Aber wir dürfen nicht aufhören, uns vorzustellen, dass es auch anders gehen kann. Und ja, am besten geht das gemeinsam mit anderen, ist doch klar.
Wenn dir einer dieser vier Berichte heute Mut gemacht hat – dann tu etwas damit. Erzähl davon weiter. Frag nach. Werde Teil davon.
Finde ich sehr befreiend, einfach mal gute Nachrichten zu lesen. Wildpoldsried beeindruckt mich dabei am meisten! Dass auch noch die Schulen davon profitieren, ist doch einfach wunderbar!
Bleibt ja gar nix mehr zu kritisieren an dem Artikel