Krieg und Klima
Aufrüstung, Verteidigung, Krieg, Militär - all das hat mit der Klimakrise viel mehr zu tun, als man erst mal glauben möchte.
Übrigens: die meisten Texte aus meiner Klimakolumne gibt’s auch als Podcast zum Hören.
Mein Vater hat mir nie genau erzählt, was er und seine Kameraden kurz vor dem Kriegsende in Norwegen gemacht haben. „Partisanen fangen“ war seine knappe Auskunft. Allerdings hat er mir, als ich den Kriegsdienst verweigerte, ein sehr unterstützendes Statement mitgegeben, das die Anerkennung wesentlich erleichtert hat. Ich habe also den Dienst an der Waffe verweigert und habe stattdessen im Zivildienst einen jungen Mann mit Querschnittslähmung versorgt.
Ich war und bin „Pazifist“, auch wenn ich zur aktuellen Notwendigkeit der Aufrüstung leider keine wirkliche Alternative sehen kann. Über diese Aufrüstungsbestrebungen denken die meisten von uns derzeit immer wieder nach, zwangsläufig. Darüber also, ob und wie auch wir mit der Gefahr eines Krieges umgehen sollen oder sogar müssen. Was mich allerdings bei diesen Gedanken auch sehr beschäftigt, ist der Zusammenhang zwischen der Klimakatastrophe und Fragen der Verteidigung und militärischer Konflikte. Darum soll es im folgenden gehen.
Krieg als Klimakiller
Dass Krieg nicht nur Menschen tötet, sondern auch andere Lebewesen ist klar. Darüberhinaus sind auch Böden, Gelände, Gebäude und ganze Ökosysteme betroffen. Das „Conflict and Environment Observatory“ berichtet ein ganz aktuelles Beispiel aus der südlichen Ukraine:
„Der Krieg hat bereits jetzt riesige Gebiete hinterlassen, die mit Landminen und anderen explosiven Gegenständen kontaminiert sind. Das bedeutet eine signifikante Bedrohung für alles Leben und auch für eine sichere Nahrungsmittelversorgung. Unsere Beobachtungen zeigen, dass explosive Waffensysteme direkt die Böden zerstören, dass sie Flächenbrände verursachen, und dass sie unkontrolliert kontaminierte Materialien freisetzen und hinterlassen.“
Kriege hinterlassen also viele toxische Rückstände und zerstören ganze Ökosysteme auf Jahre und Jahrzehnte hinaus. Die langfristigen Schäden sind oft gar nicht genau zu beziffern.
Militärische Emissionen wurden übrigens im Kyoto-Protokoll von 1997 aus den Berichtspflichten heraus genommen, das heißt viele Jahre wusste niemand, wie viele Emissionen die Armeen eigentlich verursachen.
Was man aber inzwischen wieiß: die US-Army ist ein größerer Umweltverschmutzer als 140 Länder der Welt miteinander.
Klimawandel als Konflikttreiber
Und der IPCC, der Weltklimarat also, meint zu diesem Thema:
„Es stimmt zwar, dass der Klimawandel bisher keine Konflikte direkt verursacht. Aber die unbestreitbaren Auswirkungen auf Wasser- und Nahrungsversorgung, die Verluste an bewohnbaren Gebieten, auf Ungleichheit und die Konkurrenz um natürliche Ressourcen verstärken die Unsicherheit und auch Konflikte“.
So sind zum Beispiel die Gletscher des Himalaya-Gebirges viel schneller am schmelzen als bisher erwartet, und das hat Folgen. Überschwemmungen an den Oberläufen der Flüsse, Wasserknappheit weiter unten.
Diese Gletscher speisen zehn der gigantischen Flusssysteme, darunter den Ganges, den Indus, den Gelben Fluss und den Mekong. Direkt oder indirekt versorgen sie so Milliarden Menschen nicht nur mit Wasser, sondern auch mit Essen, Energie und sauberer Luft.
Auch solche Themen sind im Pentagon schon seit langem ganz vorne auf der Beobachtungsliste, Die US Army hat sich ja bisher doch immer auch als eine Art „Weltpolizei“ gesehen. Ob und wie sich das unter der Trump-Administration ändert, wird man sehen müssen.
Der Klimawandel ist also eine Art Multiplikator der Risiken. Er verstärkt Hunger, Fluchtbewegungen und politische Unstabilität:
„In Verbindung mit Ressourcenknappheit und demografischem Wachstum könnten klimatische Veränderungen vor allem in Regionen fragiler Staatlichkeit noch zusätzlich destabilisierend oder konfliktverstärkend wirken. Im schlimmsten Fall könnte dies zu Staatsversagen, gewaltsamen Auseinandersetzungen und unkontrollierten Migrationsbewegungen führen,…“
so heißt es in einer Studie des deutschen Verteidigungsministeriums mit dem Titel „Wie sich der Klimawandel auf die Sicherheitspolitik auswirkt“.
Ach ja, hatte ich schon erwähnt, dass ich eigentlich Pazifist bin? Vor diesen Begriff setze ich hier ein „eigentlich“, ganz am Anfang des Textes hab ich das Wort selber in Anführungszeichen gesetzt. Warum?
Klima - Migration - Militär
Wenn wir allein über die vorher genannten „unkontrollierten Migrationsbewegungen“ nachdenken, wird schnell klar, dass und wie sehr uns das Thema auch ganz konkret betrifft. Wir haben ja jetzt schon in Mitteleuropa größte Schwierigkeiten, mit den vielen Menschen ordentlich umzugehen, die bei uns Zuflucht suchen. Wie kann das dann wohl ausschauen, wenn auch die sogenannten Klimaflüchtlinge näher zu den Polen, also in etwas kältere Gefilde ziehen sollten. Das bedeutet ja dann ganz konkret, dass Menschen Grenzen überschreiten, oder dies zumindest versuchen.
Die US-Regierung hat in der Vergangenheit Truppen an die Südgrenze entsandt, um den Migrationsdruck zu bewältigen. Ein zunehmender Klimastress in Mittelamerika (z. B. Dürren in Guatemala, Honduras) könnte den Migrationsdruck verstärken.
Oder hier bei uns: Europäische Staaten setzen bereits militärische und paramilitärische Kräfte zur Grenzsicherung ein (z.B. Frontex-Einsätze im Mittelmeer). Klimawandel wird die Migration aus Afrika verstärken, insbesondere wenn landwirtschaftliche Erträge in der Sahelzone weiter sinken.
A propos Sahelzone: Die Region leidet unter Dürren und Wüstenbildung. Klimabedingte Ernteausfälle verschärfen dort soziale Spannungen, was zur Rekrutierung für Terrorgruppen führt. Frankreich und europäische Staaten waren dort militärisch aktiv (z. B. Operation Barkhane)
Sind Klimaschutz und Sicherheitspolitik nur Gegensätze?
Wenn man an die Millionen Kilometer denkt, die Militärfahrzeuge laufend hinter sich bringen, wird schnell klar, dass dort ein großer Hebel sitzt, um Emissionen bei der militärischen Mobilität zu reduzieren. Ein Kampfpanzer Leopard 2 verbraucht auf hundert Kilometer im Schnitt knapp fünfhundert Liter Diesel. Fünfhundert Liter! Da wird von einigen Leuten eine Elektro-Variante diskutiert, aber die macht wohl tatsächlich keinen Sinn. Das sagen sogar die E-Mobilitäts-Freunde.
Es gibt allerdings jede Menge andere Fahrzeuge, und es gibt Militärbasen, es gibt die Rüstungsindustrie, es gibt also viele, viele Stellschrauben, wie auch der ganze militärische Komplex dekarbonisiert werden kann und muss.
Auch die aktuell wieder stark diskutierte europäische Gesamtlösung in Sachen Verteidigung könnte auf jeden Fall effizienter und damit auch umweltfreundlicher sein als die jetzigen nationalen Parallelstrukturen.
Und nachdem die Katastrophen ja bedauerlicherweise eher mehr als weniger werden, brauchen wir die Bundeswehr und auch die NATO wohl im Katastrophenschutz eher mehr als weniger.
Gefahr erkannt
Die Risiken durch den Klimawandel sind also längst keine grünen Spinnereien mehr, sie sind auch im Innersten von Militär und Geheimdienst angekommen und werden dort sehr aufmerksam und mit viel Ressourcen bearbeitet. In einer großen Studie, die vom METIS Institut für Strategische Vorausschau zusammen mit dem BND und dem renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenfolgenforschung erstellt wurde, heißt es im Vorwort:
„Der BND sieht die Folgen des Klimawandels wie Destabilisierung und Migration neben einem aggressiv-expansiven Russland, weltpolitischen Ambitionen Chinas, zunehmenden Cyber-Gefahren sowie dem weiterhin virulenten inter- nationalen Terrorismus als eine der fünf großen externen Bedrohungen für unser Land.“
In dieser Studie wird ganz klar beschrieben, dass sich die Konflikthaftigkeit im internationalen System durch den Klimawandel erhöhen wird. Außerdem hat man damit zu kämpfen, dass auch Gerät, Infrastrukturen und nicht zuletzt auch die darin arbeitenden Menschen zunehmend extremeren Anforderungen wie zum Beispiel der Hitze oder auch Starkregen ausgesetzt sind.
Face it
Die Themen sind nicht einfach, nicht schön, und sie werden uns noch bis auf weiteres beschäftigen. Und ja, ich würde mich immer noch als einen Pazifisten bezeichnen, auch wenn ich die „naive“ Variante eines jungen Menschen gleich nach der Pubertät ganz sicher hinter mir lassen musste. Ich muss anerkennen, dass wir (also die Menschheit) noch lange nicht schlau genug sind, um wirklich ein gemeinsames Leben in Frieden auf diesem Planeten organisieren zu können. Und so lang das so ist, müssen wir auch die Fähigkeiten aufrecht erhalten, uns verteidigen zu können.
Die Ereignisse in der Ukraine haben uns leider gezeigt, dass dies auch bei uns eine reale Notwendigkeit ist. Natürlich könnte ich aus der Haut fahren, wenn ich daran denke, dass wir mit dem Klimawandel ein „Mega-Thema“ haben, das alle anderen überragt, und wir dieses Thema immer wieder in den Hintergrund schieben und uns damit beschäftigen, uns gegenseitig Raketen zu schicken. Es ist zum Mäuse melken…
Und dann denke ich wieder an meinen Vater, der mir ausser den spärlichen Nachrichten aus Norwegen noch sehr, sehr oft erzählt hat, dass Krieg furchtbar ist, ganz furchtbar. Und dass die Menschen, die Kriege anzetteln, auch ganz furchtbar sind…
Und dann gibt’s ja noch den klugen Spruch „follow the money“. Und die Aktienkurse der Rüstungsunternehmen. Und die Machtgeilheit diverser Despoten. Aber das ist dann ein anderes Thema….
Hallo Peter, treffend beschrieben. Ja es ist zum Mäusemelken, wenn man sich Konflikt und Krisenherde und geführten Kriege der Welt ansieht. Man bekommt den Eindruck - in der Evolution hat sich die Menschheit (einige schon) in den letzten 100 Jahren nicht wirklich weiterentwickelt.
Die Globalen Veränderungen – der Macht und Interessenlage befeuern sich weiter. Es werden Deal´s (wie Schrecklich) zur „Bereitschaft der Hilfe“ angeboten. Also keine Hilfe ohne Gegenleistung – also reine Berechnung! Man könnte auch Erpressung dazu sagen!!!
Wir Europäer sitzen am Katzentisch und schauen zu - ……wie uns geschieht!
Man will das lieber nicht zu Ende denken.