Kinder und Klima
Zwischen Sorge und Selbstwirksamkeit
Manchmal spreche ich mit Leuten aus meiner Altersgruppe darüber, dass während unserer gemeinsamen Lebensspanne der weitaus größte Teil der Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen worden sei und dass dieser Umstand doch auch eine gewisse Verantwortung mit sich brächte. Und ziemlich oft bekomme ich dann den schroffen Hinweis, dass unsere Kinder und auch deren Kinder diesbezüglich auch nicht gerade Waisenkinder seien. Dass die junge Generation gerne und viel verreist, dass sie unglaublich viele digitale Geräte benutzen und auch sehr gerne und ausgiebig dem Konsum frönt. Dass sie sich - die Antwort fällt manchmal drastisch aus - einen Dreck um das Klima und die Natur scheren würden.
Natürlich wird auch gerne angeführt, dass wir ihnen doch auch eine Welt im Luxus übergeben, dass sie es gut haben, reich sind und verreisen können, wohin sie wollen.
Gleichzeitig hört man immer öfter Schlagworte wie „Eco-anxiety“, „Klimaangst“ etc., welche uns sagen, dass einige der jungen Menschen sehr wohl unter der Bedrohung durch den Klimawandel leiden, dass sie schlecht damit umgehen können, dass diese Ängste auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben.
Über dieses Thema habe ich mit Kristina Weber geredet. Sie ist Mama von drei Jungs, und sie ist Redakteurin und Moderatorin beim Bayerischen Rundfunk. Dort hat sie eine Sendereihe ins Leben gerufen und leitet diese auch, die unter dem Titel „Eltern ohne Filter“ Themen des Familienlebens, der Erziehung und auch sonstige Generationenfragen kritisch und schonungslos anspricht. Ich wollte von ihr wissen, wie sie in ihrer Familie mit den Bedrohungen umgeht, die der Klimawandel auf das Wohlergehen der Kinder haben kann. Was wird von wem thematisiert und wie offen ausdiskutiert? Wann und wie kann man Gefühle der Selbstwirksamkeit unterstützen, die ja eine ganz wichtige Ressource sind? Über diese und andere relevante Fragen zum Thema „Kinder und Klima“ spreche ich also mit Kristina Weber im Podcast, den ich sehr empfehlen möchte.
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Angst ist rational
„Überschwemmungen, verheerende Waldbrände und Stürme – die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels lassen sich nur noch mit viel Phantasie leugnen. Internet und soziale Medien bringen die Katastrophen aus der Ferne direkt in unsere Wohnzimmer.
Klimawandel betrifft also nicht nur die Umwelt, sondern wirkt sich auf die psychische Gesundheit der nächsten Generation aus. Immer mehr Kinder und Jugendliche zeigen Anzeichen von Klimaangst und fühlen sich von den Auswirkungen des Klimawandels überwältigt…“
Die Angst vor den Folgen der Klimakatastrophe ist also durchaus weit verbreitet und hat eine große Bedeutung für die psychische Gesundheit der jungen Menschen. Dazu gibt es inzwischen einige seriöse Studien. So wurde in einer globalen Umfrage unter Sechzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen ermittelt, dass neunundfünfzig Prozent der Befragten sehr oder extrem besorgt sind.
Anekdotische Erfahrungen im eigenen Umfeld könnten also wieder einmal zu falschen Schlussfolgerungen führen. Insgesamt ist die Angst mit all ihren Folgeerscheinungen bei jungen Menschen offenbar sehr real. Ich finde, das ist auch nicht besonders überraschend, allerdings ziemlich tragisch. Und dafür sind nicht die Menschen verantwortlich, die über die Klimakrise reden, sondern diejenigen, die sie nach wie vor verursachen und sich gegen wirksamen Klimaschutz wehren.
Kristina Weber meint zu diesem Thema:
„…ist es nicht total rational, dass Kinder und Jugendliche Ängste haben? Also warum wundern wir uns überhaupt darüber? (...) Der Punkt ist einfach, du brauchst dir nur die Welt anschauen, wie sie gerade ist. Also auch als Erwachsener kriegt man Angst und als Kind, das noch weniger Kontrolle über sein eigenes Leben hat, kriegt man noch mehr Angst…“
Hier gibt es das ganze Interview zum Hören:
Verantwortung
Wenn ältere Menschen den Jungen vorwerfen, sie würden ja auch nicht gerade umweltfreundlich leben, dann wird hier die Verantwortung weiter geschoben. Eine Rollenumkehr, bei der man sich nicht wundern darf, wenn dann der Slogan zu hören ist: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Oder wenn sich ein Teil der jungen Generation auf die Straße klebt und damit verzweifelt versucht, auf das gemeinsame Dilemma aufmerksam zu machen.
Kristina Weber:
„…Ich kann das total nachvollziehen, dass diese Generation in so eine Haltung geht von, wir haben es ja nicht verkackt, aber wir werden es auch nicht mehr rumreißen, also können wir jetzt auch hier Party machen. Und da weiß ich nicht, da weiß ich nicht genau, was ich auch groß entgegensetzen soll, weil es stimmt ja ein Stück weit…“
Neben der Angst ist also auch die Resignation und der Fatalismus nicht weit, das sind alles Zutaten, welche für das weitere Miteinander auf dem Planeten nicht gerade förderlich sind.
Eltern und Großeltern befinden sich dabei in einer eigenartigen psychologischen Spannung. Sie sind Teil der Generation, die für die Klimakrise verantwortlich ist, und spüren gleichzeitig den tiefen, instinktiven Wunsch, ihre Kinder vor dieser Zukunft zu schützen, die sie mitgestaltet haben.
Die Forschung von Mariana Pinho, veröffentlicht in Frontiers in Psychology, liefert hierzu einen wichtigen Gegenpunkt zur reinen Belastungsthese. Ihre Studie unter 2.055 Eltern zeigt zwei zentrale Ergebnisse: Erstens kann eine starke, zentrale Elternidentität als Schutzfaktor gegen Klimaangst wirken. Eltern, die ihre Rolle als zentral für ihr Selbstverständnis ansehen, leiden weniger unter den psychischen Belastungen der Klimakrise. Zweitens ist diese starke Elternidentität ein positiver Verstärker für umweltfreundliches Verhalten.
Fußabdruck - Handabdruck
Bei der Frage nach der Verantwortung („… den Jungen ist doch auch der Konsum viel wichtiger als das Klima…“) schnappt allerdings eine Falle zu, die man uns immer wieder schön präpariert, die des individuellen Verhaltens nämlich. Wir wurden mit dem Begriff des ökologischen Fußabdrucks darauf getrimmt, mit dem Finger aufeinander zu zeigen und uns das individuelle Verhalten gegenseitig vorzuwerfen. Dabei vergessen wir dann leicht die eigentlichen Verursacher und Profiteure des fossilen Geschäfts.
Da ist dann das Gefühl der Ohnmacht nicht mehr weit, weil das eigene Verhalten ja nur einen winzigen Tropfen auf dem heißen Stein darstellt und praktisch irrelevant ist.
Der „Handabdruck“ könnte hier weiterhelfen…
Fußabdruck: Ich fahre selbst mit der Bahn, um meinen CO₂-Ausstoß zu senken.
Handabdruck: Ich engagiere mich politisch in einer Initiative, die sich dafür einsetzt, dass die Bahn zur günstigeren, zuverlässigeren und einfacheren Alternative für alle wird.
Dieser kollektive Ansatz entlastet den Einzelnen von der alleinigen Verantwortung und ermöglicht echte gesellschaftliche Partizipation. Er verlagert den Fokus von der individuellen Perfektion hin zur gemeinsamen Gestaltung von Systemen und Strukturen. Der Fokus auf den Handabdruck ist somit eine mögliche sinnvolle Antwort auf die Wehrlosigkeit. Er signalisiert der jungen Generation, dass die Erwachsenen ihre systemische Verantwortung sehen und auf keinen Fall die Last der Weltrettung auf die individuellen Konsumentscheidungen – auch die ihrer Kinder – abwälzen.
Selbstwirksamkeit
Die pädagogische Herausforderung besteht darin, Kinder zu befähigen, ohne ihnen die Last der Welt aufzubürden. Der Leitfaden „Kinderleicht zum Klimaschutz“ der Parents For Future zeigt hier einen vorbildlichen Weg. Ihr Ansatz ist konsequent positiv, wertschätzend und ressourcenorientiert. Sie betonen, dass Maßnahmen positiv besetzt sein sollen und Kinder weder erschrecken noch verängstigen dürfen. Im Mittelpunkt steht die Förderung der kindlichen Selbstwirksamkeit – das Gefühl, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können.
Dieser praktische Ansatz lässt sich wissenschaftlich mit dem Salutogenese-Modell untermauern. Dieses Modell fragt nicht, was krank macht, sondern was gesund erhält.
Kristina Weber meint dazu:
„Mir ist es eher wichtiger, ihnen zu vermitteln, dass es auch Möglichkeiten gibt, was sie tun können. Meine Kinder interessieren sich zum Beispiel unheimlich für Wissensformate, wenn da was vorgestellt wird, wie zum Beispiel Mikroplastik im Meer beseitigt werden kann. Wir haben letztens darüber diskutiert, dass es diese Teststraße gibt, wo Solarzellen über der Straße verlegt werden. Und über sowas sprechen wir dann und darüber, dass das gute Ideen sind. Und da habe ich eher das Gefühl, dass das so den Augenmerk darauf legen, was auch zu tun, was auch getan werden kann oder was sie auch tun können oder inwieweit sie sich engagieren können, dass ihnen das hilft….“

Hoffnung
Die Klimakrise hat eine toxische Dynamik in Gang gesetzt, die die psychische Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder stiehlt. Die Last der Welt wurde und wird nach wie vor auf die schmalsten Schultern verlagert, und die daraus resultierende Klimaangst ist eine rationale und zutiefst schädliche Folge.
Die erwachsene Generation muss ihre Verantwortung aktiv und sichtbar übernehmen. Schuldgefühle sind höchstens ein Anfang, ansonsten oft destruktiv.
Handeln ist viel besser.
Es bedeutet, den Fokus vom alleinigen Reduzieren des eigenen ökologischen Fußabdrucks zu erweitern und den kollektiven Handabdruck massiv zu vergrößern. Es bedeutet, politische und gesellschaftliche Strukturen zu verändern, damit nachhaltiges Leben zur einfachen und logischen Wahl wird.
Der wirksamste Schutz, den wir unseren Kindern bieten können, ist nicht, die Krise zu verharmlosen, sondern ihnen zu zeigen, dass wir endlich handeln. Erst wenn sie sehen, dass die Erwachsenen ihre Rolle als verantwortungsvolle Gestalter der Zukunft annehmen, können sie das sein, was sie sein sollten: einfach nur Kinder.
Und es gibt nach wie vor jede Menge Grund zur Hoffnung. Auch die Digitalität, die ja auch einige Gefahren mit sich bringt, ist für Kristina Weber durchaus eine Chance für den Nachwuchs.
„Mir persönlich machen zwei Dinge Mut bei allen Schwierigkeiten. Das eine ist, dass immer mehr Menschen, politisch handeln, viele Dinge zusammen denken. Also, dass ich das Gefühl habe, dass wir weggehen von diesem „da gibt es jetzt eine Partei, die kümmert sich ums Klima und dann gibt es eine Partei, die kümmert sich um Klassenunterschiede und dann gibt es eine Partei …“ - hin zu einer politischen Erzählung, die das alles ein bisschen mehr verbindet und auch versteht, dass das eine ohne das andere wahrscheinlich nicht zu denken ist. Und auf der anderen Seite gibt mir Hoffnung, dass ich meine Kinder als wahnsinnig kompetent wahrnehme und auch deren Freunde und dass die sich nicht verschaukeln lassen und dass die viel selbstverständlicher mit der Digitalität umgehen als ich…“
Das ganze Gespräch mit Kristina Weber kannst du hier anhören:
Die Welt gehört in Kinderhände- dem Trübsinn ein Ende
Wir werden in Grund und Boden gelacht - Kinder an die Macht.
(Herbert Grönemeyer)




