Ein Geschäftsfreund von mir war in einer echten Pechsträhne und ziemlich fertig. An irgendeiner Stelle unserer Konversationen erzählte er mir:
„Ich habe jetzt festgestellt: Es kann auch BESSER werden!“
Da war noch ein Schuss Galgenhumor drin, eine ziemlich große Prise an Überraschung, und doch auch einiges an Zuversicht und Hoffnung. Natürlich auch noch ein kräftiger Anteil an Zweifel (kann das wirklich wahr sein?) und Sorge (was, wenn nicht?) waren deutlich zu hören. Unterm Strich hatte er aber recht und war ab da wieder auf einem deutlichen Aufwärtstrend.
Diese Geschichte fällt mir immer wieder ein, wenn ich zu den Themen dieser Kolumne recherchiere.
Und ich weiß, dass es ganz, ganz vielen Menschen so geht, dass sie nämlich immer wieder zaudern, zögern, verzweifeln. Wie kann das gut gehen, wie soll ein Umschwung zu einer klimafreundlichen Leben- und Wirtschaftsweise gelingen - bei der täglichen Flut von negativen Wasserstandsmeldungen?
Diese Flut ist so dominant, dass wir oft nicht anders können als in Zynismus, Resignation und Pessimismus zu verfallen.
Im Folgenden werde ich ein paar Ressourcen auflisten, die mir in solchen Momenten geholfen haben oder helfen. Quellen von guten Nachrichten, Menschen, die Mut machen, Botschaften aus einer Welt, in der es wirklich besser werden kann.
Die verzerrte Welt - warum uns alles schlimmer vorkommt.
Vorher ist es aber durchaus angebracht, sich kurz zu vergegenwärtigen, warum denn die negativen Nachrichten so eine überwältigende Wirkung haben, warum sie die Schlagzeilen beherrschen und auch unsere Grübelgedanken.
Da fällt mir als erster Grund ein, dass es wirklich viele gute Gründe für Sorgen gibt. Wir werden uns im restlichen Text schon noch mit den anderen Perspektiven beschäftigen, aber das soll alles andere als ein Greenwashing, eine Schönfärberei oder ein „think positive“ werden. Es gibt schlicht und einfach jede Menge gute Gründe, sich über den Verlauf der Erderwärmung und aller Konsequenzen sorgen zu machen. Punkt.
Es gibt allerdings auch eine evolutionär sinnvolle Funktion, die uns die Gefahren viel stärker sehen lässt als den Rest des Lebens. Das haben alle schon gehört: Diejenigen unserer Vorfahren, welche nicht so sehr auf die Gefahren geachtet haben, wurden vom Säbelzahntiger gefressen. Die Alarmisten dagegen haben sich fortgepflanzt, wir sind deren Erben.
Medienlogik: Ich war lange in der Medienbranche und weiß, wie wichtig dort Quoten und Reichweiten sind. Und weil schlechte Nachrichten besser clicken und mehr Quoten und Reichweiten bringen, sind „bad news good news“. Reißerische Titelzeilen ziehen, selbst wenn bei manchen seriösen Publikationen inzwischen dann oft im eigentlichen Text durchaus differenziert berichtet wird.
Wer sich kümmert, sieht besonders viel, was falsch läuft.
Also: Es gibt wirklich viele sehr wichtige Gründe, die Wissenschaft mit ihren Warnungen ernst zu nehmen. Und es ist für mich absolut unverständlich, wie manche Zeitgenossen es immer noch schaffen, den Kopf in den Sand zu stecken oder sich irgendeine Beruhigungspille auszudenken. Auch die resignierten Zyniker, nach deren Einschätzung wir schon längst verloren sind, diese ewigen Pessimisten, die sich immer davon ernähren, am Ende sagen zu können „ich hab’s ja gleich gewusst“, ach wie mir diese Leute auf die Nerven gehen. Sie alle, die Leugner des Klimawandels, die Vogel-Strauß-Feiglinge, die Wegschauer und auch die Apokalyptiker, sie alle haben eines gemeinsam: Sie tun nichts. Nichts dafür, dass der Planet auch für die Nachkommen noch lebenswert bleibt.
Hoffnung, Optimismus, Zuversicht - alles nur für Naivlinge?
„Resignation ist ein Privileg“
„die Pflicht zur Zuversicht“
„aus Verantwortung zum Optimismus“
das sind alles Zitate, die einen wichtigen Zusammenhang beschreiben: Angst lähmt. Und wer sich wirklich verantwortungsvoll zeigen und verhalten soll, muss gefälligst den Hintern hoch bekommen und die lähmende Angst und Resignation hinter sich lassen. Meinetwegen aus Pflichtgefühl. Besser ist allerdings das Gefühl der Selbstwirksamkeit, das dann auftaucht, wenn man wirksam wird. Selbst und mit anderen. Und das ist KEIN Greenwashing, das ist auch keine rosarote Brille, das erfordert Mut und Entschlossenheit. Auch die Entschlossenheit, den empörenden Zusammenhängen ins Auge zu schauen. Manchmal ist eine Kombi hilfreich, zum Beispiel in einem meiner Lieblings-Podcasts „Outrage and Optimism“. Wut und Optimismus sind ein hervorragendes Besteck im Kampf gegen die Fossillobby und im Versuch, neue, lebenswerte Regionen zu erkunden.
Es gibt sie: die guten Nachrichten, die klugen Optimisten, die aktiven Zuversichtlichen.
„Wie wär’s, wenn wir das hinkriegen?“ fragt zum Beispiel Ayana Elisabeth Johnson in ihrem Buch („What if we geht it right?“). Sie ist eine renommierte Meeresbiologin und kennt die Probleme zur Genüge. Trotzdem oder gerade erst recht stellt sie diese sinnvolle Frage, eine Frage, die sofort den Denkrahmen verändert: Was, wenn’s gelingt?
https://www.ayanaelizabeth.com
Hans Rosling und sein „Gapminder“ ist eine Pflichtübung für alle, die schnell mal dem Glauben verfallen, es geht alles immer bergab. Sein berühmter TED-Talk ist zwar schon 18 Jahre alt, aber er zeigt auf phantastische Weise, wie sehr wir uns in dieser Vermutung oft täuschen können. Wie gesagt, das Ding ist veraltet, und er hat in seinem Buch „Factfulness“ ganz sicher einige der schwierigen aktuellen Fragen zur Entwicklung des Weltklimas ausgespart oder vergessen. Schau dir dieses Video aber trotzdem mal an:
Eine der Frauen, die von Hans Rosling schwer beeindruckt und beeinflusst wurden ist Hannah Ritchie mit ihrer “Our World in Data“. Ihr Buch heißt „Not the end of the world“, es ist nüchtern und konstruktiv, auch wenn die deutsche Übersetzung des Titels nach meiner Einschätzung vollkommen daneben gegangen ist („Hoffnung für Verzweifelte“). Sie schaut sich wichtige Veränderungen mit einem streng wissenschaftlichen Blick an:
„Diese Veränderungen kann man nur erkennen, wenn man einen Schritt zurücktritt und die langfristigen Daten in den Blick nimmt. So machte es Hans Rosling mit sozialen und gesundheitlichen Problemen, und so müssen wir auch bei den Umweltfragen vorgehen…“.
Keine Utopie, sondern einen ganz pragmatischen „Emissions-Rechenschieber“ findet man bei „project drawdown“ von Jonathan Foley. Da findet sich eine derartige Fülle von Lösungsmöglichkeiten, die skalierbar, wirtschaftlich sinnvoll und auch lokal einsetzbar sind, das ist atemberaubend.
„Drawdown“ steht übrigens für den Punkt auf der Zeitachse, an dem die Treibhausgase in der Atmosphäre nicht weiter ansteigen werden, sondern langsam aber sicher wieder abnehmen.
„Our Scientific analysis shows that the world can reach Drawdown by mid-century if we make the best use of all existing Climate Solutions“.
(Die Wissenschaft zeigt, dass wir “Drawdown” in der Mitte des Jahrhunderts erreichen können, wenn wir all die bekannten Klimalösungen sinnvoll einsetzen)Schau dir auf der Website dort unbedingt auch die „Drawdown Climate Solutions Library“ an, die ist wirklich beeindruckend und macht Mut.
Einen frischen, humorvollen und klugen Protagonisten aus dem deutschsprachigen Raum darf man auf dieser Liste nicht vergessen, es ist Jan Hegenberg. Sein Buch „Weltuntergang fällt aus“ erzählt schon durch den Titel die wichtigste These. Auf dem Blog von Jan Hegenberg „Der Graslutscher“ gibt es laufend lesenswerte News zum Klimathemen, außerdem kann man dort deutlich sehen, dass hier kein naiver Schönfärber am Werk ist, sondern ein intelligenter, kritischer aber eben auch mutiger Geist, der sich auch traut, die Hoffnung zu kultivieren. Sein letztes Buch heißt übrigens „Klima Bullshit Bingo“, das ist ein Handbuch für alle, die sich gegen Stammtischparolen wehren wollen oder müssen.
Wie man echte gute Nachrichten erkennt.
Das war jetzt nur eine wirklich winzige Auswahl aus all den Quellen für gute Nachrichten, die es eben auch gibt. Wenn man die hilfreichen von den anderen unterscheiden will, helfen ein paar Kriterien, die ich hier in einer kleinen Checkliste auflisten will:
Echte gute Klima-Nachrichten…
… zeigen nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Weg dorthin.
… benennen Konflikte, Einschränkungen und offene Fragen.
… liefern konkrete Zahlen oder Vergleichswerte.
… sind kein Einzelfall, sondern Teil eines Musters oder Trends.
… stellen keine Rückkehr zur alten Normalität in Aussicht, sondern eine Transformation.
… machen nicht nur Hoffnung, sondern auch Arbeit sichtbar.
Gute Nachrichten sind oft anstrengender als schlechte. Sie fordern uns heraus, etwas zu tun – nicht nur zu schimpfen.
Resignation ist das Gegenteil von Verantwortung.
Mir sind inzwischen schon viele der Coping-Strategien gegen den Klimablues begegnet. Die Leugner, die Abwieglerinnen, die Resignierten, die Zynikerinnen, die Fatalisten, die Besserwisser (in allen Spielarten), auch ein paar ganz elaborierte Varianten kenne ich:
Die Selbstbezogenen, die meinen, man müsse erst einmal sich selber retten, bevor man das Klima retten kann. Da ist natürlich was dran, aber verdächtigerweise kommt bei dieser Spezies nach der Selbstrettung meistens nichts mehr. Mmhh…
Die PhilosophInnen, die sich als Beobachter der Welt sehen, sich sehr klug dabei vorkommen und dem Untergang grübelnd und in aller Ruhe zuschauen. Auch sie teilen mit allen anderen Exemplaren die wichtigste Eigenschaft: Sie tun nix.
Und mit „tun“ meine ich jetzt nicht unbedingt, mal kurz das Fahrrad zu nehmen, oder den Müll zu trennen.
Natürlich braucht man, um etwas zu „tun“, zumindest ganz hinten im Hirn noch eine kleine Hoffnung, dass es auch BESSER werden kann. Und wir haben alle schon so viele und überraschende Umbrüche erlebt, dass uns klar sein müsste: Auch Unerwartetes kann in beide Richtungen eintreten. Zum Guten oder zum Schlechten.
Zum strapazierten Begriff der Verantwortung möchte ich noch sagen: Ich verstehe darunter, dass wir Antwort geben müssen, zum Beispiel auf diese Frage:
Wie wollen wir dafür sorgen, dass die nachfolgenden Generationen auch noch die Chance haben, auf einem gesunden und lebenswerten Planeten zu leben?
Und diese Antwort finden wir bei denjenigen unter uns, die zwar den Gefahren ganz klar ins Auge schauen, die aber trotzdem ihre Zuversicht und damit ihre Handlungsfähigkeit bewahren und - oft auch mit anderen gemeinsam - klug und kraftvoll zum Einsatz bringen.
Viel Erfolg dabei!