Wo geht die Reise mit dem Klima hin, wenn wir so weitermachen wie bisher?
Wenn nur alle kein Fleisch mehr essen würden, wäre dann der Klimawandel gestoppt?
Elektroautos sind die Lösung, Verbrenner sind das Problem, oder?
Ein möglichst hoher CO2 Preis - wäre das nicht eine funktionierende Veränderung für unser gesamtes Wirschaften?
En-ROADS, der Klima-Simulator
Die Liste an Fragen ließe sich vermutlich noch ziemlich lang fortführen. Diese und ähnliche Fragen beschäftigen viele von uns immer wieder, immer öfter und immer mehr. Ich habe ein Werkzeug entdeckt und inzwischen vielfach benutzt, mit dem wir zumindest sehr fundierte Annahmen, Szenarien und Simulationen finden. Es heisst En-ROADS, und ist ein Klima-Simulator.
Komplex heisst nicht unbedingt kompliziert
Ich werde im Folgenden einen ersten Überblick über dieses Werkzeug geben, so dass du sehen kannst, ob und wie du auch für deine entsprechenden Fragen Antworten findest. En-ROADS ist sehr mächtig, es gibt unglaublich viele Parameter, Variablen und Formeln, die im Hintergrund arbeiten. Trotzdem kann jede/-r damit recht leicht einen ersten Zugang finden zu den wirklich relevanten Zusammenhängen der Klima-Entwicklung.
Ich möchte dich also gleich am Anfang ausdrücklich einladen, das Tool auszuprobieren. Du wirst die Dynamik sofort sehen, gleichzeitig aber auch beeindruckt sein, wie gekonnt die hohe Komplexität des Themas dann in der Oberfläche auf einige wenige Faktoren und Stellschrauben reduziert ist. Das Ganze ist ernst zu nehmen, seriös, und trotzdem leicht zu bedienen und zu verstehen. Also, legen wir los.
(Ach ja, es kostet nichts…)
Das hier ist also die gesamte Oberfläche, wenn Du En-ROADS öffnest:
In der oberen Hälfte siehst du die wichtigste Wirkungskette des menschengemachten Klimawandels:
wir erzeugen Energie, bisher hauptsächlich, indem wir Zeug verbrennen (Globale Primärenergiequellen)
dabei entstehen Treibhausgase, vor allem CO2, Methan und noch ein paar andere, die sich in der Atmosphäre anreichern
dadurch wiederum erwärmt sich die Atmosphäre, mit all den bekannten Risiken und dem ganzen Schlamassel, der sich daraus ergibt.
Wir sehen an den Grafiken auch, dass es um ein globales, also weltweites Klimamodell geht, und zwar auf der Zeitachse des aktuellen Jahrhunderts. Wir können darstellen, wie sich die Emissionen und auch die Temperatur bis zum Jahr 2100 entwickeln werden. Und zwar, wenn wir so weiter machen wie bisher, aber auch wenn wir einige der Maßnahmen umsetzen würden, die wir alle laufend diskutieren.
Probieren geht über Studieren
Um diese Maßnahmen geht‘s in der unteren Hälfte des Bildschirms. Ich werde weiter unten noch ein paar davon etwas ausführlicher beschreiben, aber du kannst ja probeweise schon einfach mal den einen oder anderen der Schieberegler bedienen und schauen, wie sich das auswirkt. Es gibt solche Schieberegler für die wichtigsten Energiequellen, aber auch für Veränderung in Verkehr, bei den Gebäuden, bei Entwaldung und Aufforstung, und noch für einige andere wichtigen Faktoren.
Mein Vorschlag: du öffnest jetzt kurz das Tool unter
Dann stellst du dir noch die Sprache auf deutsch um (oben links im Menu), wenn du das willst
und dann schiebst du zum Beispiel mal den Regler für den CO2-Preis (unten links) etwas nach rechts.
Und jetzt schau mal in der oberen Hälfte, wie sich zum Beispiel die Line für die Treibhausgas-Emissionen verändert. Die schwarze Linie ist die „Baseline“, also das Weiter-So, die blaue wäre zu erwarten, wenn wir deinen Vorschlag zum CO2-Preis umsetzen würden. Natürlich verändert sich dann auch gleich die mittlere Temperaturerhöhung (oben rechts) in Grad Celsius.
wenn du das gemacht hast, kommst du wieder hierher zurück. Und zwar unbedingt, auch wenn du En-ROADS gleich faszinierend finden solltest. Ich will dir nämlich dazu noch ein paar wichtige Infos geben.
Welcome back
So, du bist wieder da - oder doch gleich da geblieben. Wenn du meinem Vorschlag gefolgt bist, müsste dein Bildschirm - mit dem geänderten CO2-Preis - etwa so aussehen:
Du hast also EINE Maßnahme getroffen (CO2-Preis, siehe rote Umrandung), daraufhin haben sich die drei Grafiken in der oberen Hälfte verändert. Vor allem ist damit der Temperaturanstieg auf „nur“ 2,6 Grad Celsius im Jahr 2100 beschränkt worden.
Eine kleine Warnung an dieser Stelle: nicht alle Maßnahmen zeigen gleich so deutliche Auswirkungen, und einige hängen stark voneinander ab etc…, es bleibt also doch sowohl komplex als auch kompliziert.
Wie auch immer, wir haben noch ein paar relevante Themen zu klären, bevor du weitere Szenarien mit En-ROADS ausprobieren kannst.
Ist das Ganze ernst zu nehmen?
Das Tool wäre lediglich eine interessante Spielerei, wenn man sich nicht sicher sein könnte, dass es tatsächlich den aktuellen Stand der Klima-Wissenschaften abbildet. Das tut es aber. Zuerst mal sorgen dafür die Leute, die‘s gemacht haben und laufend weiter entwickeln. Die Firma heißt Climate Interactive, es handelt sich dabei um ein Spin-Off des berühmten MIT in Boston. Die Entwicklung geht zurück bis ins Jahr 2009, verschiedene Vorgängermodelle von En-ROADS haben bei vielen Klimakonferenzen eine wichtige Rolle gespielt. Einer der wichtigen Köpfe dabei ist John Sterman, er ist unter anderem Jay W. Forrester Professor of Management an der MIT Sloan School of Management.
Modelle und Szenarien
In der Klimadiskussion gibt es ja laufend Streit darüber, ob und wie gut Modelle und Szenarien dabei helfen, die Zusammenhänge zu verstehen und auch Prognosen und Handlungsvarianten zu beurteilen. Das hängt natürlich unter anderem mit der Qualität des Modells zusammen.
Das Modell hinter En-ROADS ist in einem technischen Referenzhandbuch ausführlich beschrieben, es findet sich darin eine riesige Fülle an Formeln, Gleichungen und sonstigen Komponenten. Und du findest, wenn dich das interessiert, auch einige Grafiken der Strukturen, in denen die Modelle aufgebaut sind. Hier ein Beispiel für die Basis-Struktur:
Cloud Intelligence
Du kannst in vielen wissenschaftlichen Publikationen nachlesen, wie die Modelle von Climate Interactive eingesetzt werden, wie zuverlässig und gültig sie funktionieren, und wie sie in der Science-Community beurteilt werden.
Du kannst dich aber auch selber in‘s Eingemachte stürzen und wie ich das Programm zu einem Climate Ambassador absolvieren. Ich habe dabei jede Menge gelernt und tue das nach wie vor weiter. Außerdem kann ich in Workshops und anderen Veranstaltungen die Zusammenhänge rund um die Klimakrise und den Umgang damit wunderbar mit anderen Menschen besser verstehen und bearbeiten.
Das hilft - unter anderem gegen Mutlosigkeit und Resignation.